Das Licht von Shambala
Plan handelte, eine technische Zeichnung.
»Allerdings«, fuhr Abramowitsch triumphierend fort, »ist seine Majestät im Besitz eines neuartigen Fortbewegungsmittels, mit dessen Hilfe es ein Leichtes wäre, die vielen tausend Meilen zu überwinden, die zwischen dem Schwarzen Meer und dem Himalaya liegen.«
Ohne ein weiteres Wort der Erklärung bückte er sich und breitete die Zeichnung vor den Gefangenen aus. Was Sarah und ihre Gefährten darauf erblickten, versetzte sie in Erstaunen.
Ein länglicher, zigarrenförmiger, an den Enden spitz zulaufender Körper, der von einer Art Netz umgeben und sowohl von der Seite als auch von vorn abgebildet war. Darunter hing, durch Seile befestigt, eine Art Gondel, die ein wenig aussah wie ein Phaeton ohne Räder. Im Heck war etwas untergebracht, das an eine Schiffsschraube erinnerte, dazu ein Ruder, das ebenfalls an die christliche Seefahrt gemahnte.
»Was ist das?«, fragte Sarah, die sich nicht sicher war, ob sich Abramowitsch nur einen Scherz mit ihr erlaubte. In den »Illustrated News« hatte sie ähnliche Zeichnungen gesehen, jedoch nicht geglaubt, dass ...
»Wonach sieht es in Ihren Augen denn aus?«, stellte der Russe die Gegenfrage.
»Nach etwas, das es aufgrund logischer physikalischer Erwägungen gar nicht geben kann«, gab Friedrich Hingis zur Antwort.
»Ist das Ihre Überzeugung, Doktor? Wie gut, dass Sie sich der Archäologie verschrieben haben und nicht der Physik. Denn dieses Gerät - dieses Luftschiff - existiert tatsächlich. Und es ist in der Lage, wie ein Vogel zu fliegen.«
»Haben Sie es schon gesehen?«, fragte Sarah.
»Allerdings.«
»Und Sie sind bereits damit geflogen?«
»Noch nicht. Der Aeronaut, der es zu steuern vermag, wird erst in einigen Tagen in Sewastopol eintreffen. Aber ich bin überzeugt davon, dass dieses Luftschiff funktioniert. Es ist ein Meisterwerk russischer Ingenieurskunst.«
»Wie man unschwer erkennen kann«, schnarrte Hingis. »Die Beschriftungen sind allesamt französisch ...«
»Die Arbeit meiner Abteilung hat es unseren Ingenieuren ermöglicht, gewisse Anleihen bei unseren französischen Konkurrenten zu nehmen«, erklärte Abramowitsch achselzuckend. »Ein Mann namens Charles Renard hat sehr brauchbare Pläne zum Bau eines funktionierenden Luftschiffs vorgelegt, die unsere Leute allerdings maßgeblich ergänzt und erweitert haben, sodass seine Majestät der Zar von Russland mit vollem Recht behaupten kann, im Besitz des einzigen Langstrecken-Luftschiffs dieser Welt zu sein.«
»Warum ist es hier in Sewastopol?«, wollte Sarah wissen.
»Unsere Informanten vor Ort berichten seit geraumer Zeit von verstärkten britischen Truppenbewegungen an der Nordwestgrenze«, erklärte der Russe bereitwillig. »Der Geheimdienst hat den Auftrag erhalten, die Situation vor Ort zu klären, was sich wegen der unübersichtlichen Geländebeschaffenheit jedoch als überaus schwierig herausgestellt hat. Und da sich unsere Ballons aufgrund der extremen Windverhältnisse als nutzlos erwiesen haben ...«
»... wollen Sie es nun mit einem Luftschiff versuchen, das sich steuern lässt und den Launen des Windes weniger ausgesetzt ist«, brachte Sarah den Satz zu Ende.
»Genauso ist es«, stimmte Abramowitsch zu. »Die Bauteile des Luftschiffs wurden während unseres Aufenthalts in Varna unter strenger Geheimhaltung an Bord der ›Strela‹ verladen und nach Sewastopol transportiert.«
»Ich verstehe.« Sarah nickte und schalt sich eine Närrin. Das also war es gewesen, was in jener Nacht heimlich und leise an Bord gebracht worden war! Mit vielem hatte sie gerechnet, aber ganz sicher nicht damit ...
»Der ursprüngliche Plan sah vor, von Soci aus an den Ausläufern des Kaukasus entlang einen Testflug nach Baki zu unternehmen, ehe das Luftschiff zu seinem eigentlichen Einsatzort überstellt werden sollte. Aber wir wären bereit, unsere Pläne zu ändern und es Ihren Zwecken zur Verfügung zu stellen - vorausgesetzt, Sie willigen in die Kooperation ein.«
»So, wie Sie das sagen, hört es sich beinahe an, als wäre ich von Sinnen, wenn ich die Gelegenheit nicht ergreifen würde«, entgegnete Sarah, die sich nicht von der zur Schau gestellten Freundlichkeit des Russen täuschen ließ. Wenn ein Geheimdienstmann Dinge, die noch vor wenigen Tagen als streng geheim eingestuft worden waren, plötzlich laut hinausposaunte, dann war sicher Vorsicht geboten.
»So ist es auch«, meinte er überzeugt, »denn Sie werden keine zweite Chance wie diese
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