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Das Lied der alten Steine

Das Lied der alten Steine

Titel: Das Lied der alten Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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Carstairs zu verbieten, je wieder einen Fuß auf dieses Schiff zu setzen. Er ist heute Abend in meine Kabine eingedrungen und hat sich erschreckend unanständig benommen.«
    Sir John riss seine blassblauen Augen weit auf. Sie sah ihn mit den Fingern auf den Tisch trommeln.
    »Louisa, das kann ich kaum glauben. Meine Liebe, er ist ein geachteter Mann. Ein Gentleman in jeder Beziehung.«
    »Nein, kein Gentleman.« Louisa ballte ihre Hände zu Fäusten.
    »Wäre Jane Treece nicht dazwischengekommen, hätte er mich geschändet! Er hat eine geheimnisvolle Macht, eine Fähigkeit, mich zu hypnotisieren, die mich unfähig machte, mich zu wehren. Und er versucht, mich mit Drohungen dazu zu bringen, mich von meinem Parfümfläschchen zu trennen. Nein, ich kann Ihnen nicht gestatten, ihn hierher kommen zu lassen. Ich wollte dies nicht vor Augusta ausbreiten, denn ich weiß, dass sie ihn schätzt, aber Sie müssen doch zugeben, dass dies ein empörendes Benehmen ist!« Sie verstummte und griff mit zitternder Hand nach ihrem Glas.
    Sir John starrte sie an. »Sie sagen, er hat versucht, Sie zu schänden?«
    Sie nickte.
    Er leckte sich die Lippen. »Er drang gewaltsam in Ihre Kabine ein?«
    Sie nickte wieder.
    »Und berührte Sie unzüchtig?« Seine Augen wanderten von ihrem Gesicht zum Ausschnitt ihres Kleids. Auf einmal atmete er sehr schwer. »Liebe Louisa, Sie dürfen nicht vergessen, dass Sie eine sehr anziehende Frau sind. Und in dieser Hitze kann selbst der vornehmste Mann sein Blut in Ihrer Gegenwart rasen fühlen.« Er stand halb auf und rückte ihr näher. »Ich selbst fühle mich stark angezogen von Ihnen. Stark!« Er berührte ihr Handgelenk mit seinen heißen Fingern.
    »John! Was machst du da?« Augusta segelte in den Salon.
    Er zuckte zurück, als hätte er sich verbrannt. »Meine Liebe!
    Ich habe dich gar nicht gehört. Was für ein Glück, dass du da bist! Louisa hat mir schreckliche Dinge erzählt. Schrecklich.« Er stammelte erschrocken. »Meine Liebe, Carstairs hat sich als ein ganz entsetzlicher Pharisäer erwiesen. Ein Schuft. Ein Schandfleck unseres Geschlechts.«
    Augusta hatte sich am Tisch niedergelassen. Mit erstaunlicher Ruhe griff sie nach der Karaffe.
    »Ich fand es außerordentlich töricht von Ihnen, dass Sie ohne Anstandsdame mit ihm einen Ausflug gemacht haben, Louisa«, bemerkte sie. »Sind Sie auch vor ihm en desbabille erschienen?«
    Trotz ihrer Wut errötete Louisa leicht. »Ganz gewiss nicht, das kann ich Ihnen versichern. Für Lord Carstairs’ Benehmen fehlen mir einfach die Worte. Ich hoffe sehr, dass Sie ihm verbieten werden, je wieder einen Fuß auf die Ibis zu setzen.«
    Augusta lehnte sich zurück und nippte nachdenklich an ihrem Glas. »Ich glaube, das können wir nicht tun. Der Mann ist Mitglied des Oberhauses. Ich muss zugeben, dass auch ich mich in seiner Gegenwart nicht wohl fühle, aber ich dachte, er hätte eher ein Auge auf Venetia Fielding geworfen. Ich muss sagen, es überrascht mich, dass er sich auf Sie gestürzt hat.«
    Louisa zog eine Augenbraue hoch. »Das klingt, als wäre ich seiner Aufmerksamkeit unwürdig.« Sie war unsinnigerweise beleidigt.

    Augusta lächelte trocken. »Nicht unwürdig, meine Liebe, aber vermutlich nicht reich genug. David Fielding ist sehr vermögend und er hat offen zu verstehen gegeben, dass Venetias Mitgift beträchtlich sein wird.«
    Sie warf ihrem Mann einen Blick zu. »Gibt es einen Grund für sein Interesse an Louisa?«
    Sir John saß eingeschüchtert da, die Hände vor sich auf dem Tisch. »Er will ihr Parfümfläschchen.« Er zuckte die Achseln.
    »Gott weiß warum, aber ich denke, es hat mit seinen altägyptischen Studien zu tun. Ich wünschte, Sie würden es ihm geben, Louisa, und die Sache hinter sich bringen. Es ist doch gar nicht so besonders wertvoll und Sie können jeden Preis verlangen. Der Mann wird zahlen, was Sie wollen.«
    Louisa blickte ihn an. »Es ist unverkäuflich. Das habe ich ihm gesagt. Und für mich ist es außerdem eine Erinnerung an Hassan, der es für mich gekauft hat und den Sie so ungerecht entlassen haben…« Mitten im Satz brach sie ab und biss sich auf die Lippe, um nicht mehr zu sagen. »Er war mein Freund, das macht es doppelt kostbar für mich. Ich versichere Ihnen, ich werde mich niemals davon trennen. Solange ich lebe.«

    Anna legte das Tagebuch nieder. Sie hatte vor der Tür ein Geräusch gehört. Nervös starrte sie den Türknopf an, lauschte und erschrak fast zu Tode, als sie ein leises Klopfen

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