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Das Lied der Sirenen

Das Lied der Sirenen

Titel: Das Lied der Sirenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Schamlippen zu einem blutigen Brei zermalmte, oder auch Instrumente, die Brustwarzen abschnitten – denn für die Inquisitoren waren Frauen eine besondere Spezies, und sie waren ja tatsächlich oft auch Geschöpfe des Teufels. Dagegen seien, so lautet diese Theorie, Folterwerkzeuge bei Männern kaum einmal an ihren Geschlechtsteilen angewendet worden, obwohl sich diese sehr empfindlichen Bereiche bestens dazu eignen, weil – hören Sie sich das an! – die Folterer sich unterbewußt an der Stelle der Gefolterten sahen und daher für sie eine Verstümmelung an den Penissen oder Hoden der Opfer nicht in Frage kam. Der Verfasser dieser Theorie in San Gimignano ist anscheinend nicht vertraut mit den verfeinerten Foltermethoden im Dritten Reich der Deutschen.
    Mein Judasstuhl ist, auch wenn ich mich damit selbst lobe, ein Meisterwerk seiner Gattung. Er besteht aus einem quadratischen, stabilen Holzrahmen mit Beinen an jeder Ecke, Lehnen für die Unterarme und einer dicken Planke als Rückenstütze. Er gleicht einem primitiven Bauernstuhl, hat aber keine Sitzfläche. Unter dem durch den fehlenden Sitz bestehenden Loch befindet sich ein mit scharfen Stacheln versehener, konisch zulaufender Dorn, der an seiner Basis mit einer Kreuzstrebe aus dicken Holzbohlen an den vier Stuhlbeinen verankert ist. Als Dorn hatte ich einen der langen, kegelförmigen Metallstäbe genommen, wie sie bei industriellen Webstühlen zum Aufwickeln von Garn benutzt werden. Man kann sie ohne weiteres in Souvenirläden von Industriemuseen kaufen. Ich hatte ihn mit einer dünnen, flexiblen Kupferfolie überzogen und an dieser spiralförmig dünne Drahtstücke festgelötet, deren Enden ich rechtwinklig abgeknickt hatte, so daß sie Zacken bildeten. Darüber hinaus hatte ich meine eigene Verfeinerung des Musterexemplars im Foltermuseum entwickelt; mein Dorn war über einen Rheostat mit der Elektrizitätsversorgung verbunden, was mir erlaubte, Elektroschocks von unterschiedlicher Intensität anzuwenden. Das Gerät insgesamt ist am Fußboden festgeschraubt, um irgendwelche unbeabsichtigten Zwischenfälle zu vermeiden.
    Während er noch bewußtlos war, wurde Paul von starken Lederriemen, die unter den Achseln hindurchführten und an der Oberkante der Rückenlehne festgezurrt waren, über dem Dorn gehalten. Seine Füße hatte ich an je eines der vorderen Stuhlbeine gefesselt, die Unterarme an die Armlehnen. Sobald ich den Lederriemen an der Rückenlehne löste, würde Paul auf die Anspannung seiner Rücken- und Schultermuskeln angewiesen sein, um nicht in den gefährlichen Dorn, der direkt unter seinem Anus plaziert war, abzusinken. Da der Stuhl so hoch war, daß Paul nur mit den Fußspitzen den Boden berührte, erwartete ich nicht, daß er das sehr lange schaffen würde.
    Als er zu sich kam, erkannte ich in seinen Augen die gleiche Panik, die ich schon bei Adam gesehen hatte. Aber er hatte sich diese Situation selbst zuzuschreiben. Ich sagte ihm das, ehe ich das Klebeband von seinem Mund riß.
    »Ich hatte doch keine Ahnung … keinerlei Ahnung«, stammelte er. »Es tut mir leid, ehrlich, es tut mir schrecklich leid … Sie müssen mir die Chance geben, es wiedergutzumachen. Lassen Sie mich von diesem Ding runter, und ich verspreche Ihnen, daß wir gut miteinander auskommen werden.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Robert Maxwell hat recht, wenn er sagt: ›Vertrauen ist wie Jungfräulichkeit; man kann es nur einmal verlieren.‹ Du hast ein verräterisches Herz, Paul. Wie könnte ich dir glauben?«
    Seine Zähne begannen zu klappern, jedoch nicht, wie ich vermute, vor Kälte. »Ich habe einen Fehler gemacht«, stieß er aus. »Das weiß ich jetzt. Jeder macht mal einen Fehler. Bitte, geben Sie mir eine Chance. Ich verspreche Ihnen, ich werde es nicht wieder vermasseln.«
    »Dann beweise es mir«, sagte ich. »Zeige mir, daß du mich begehrst.«
    Ich starrte auf seinen verschrumpelten Schwanz, der über seinen Eiern in dem Hohlraum nach unten hing. Ich hatte Schönheit erwartet, aber auch darin hatte er mich enttäuscht. »N-nicht hier, nicht unter diesen Umständen. Ich kann nicht!« Seine Stimme wurde zu einem kläglichen Winseln.
    »Jetzt oder nie«, sagte ich. »Hier oder nirgendwo. Und übrigens, falls du dich wunderst, du sitzt auf einem Judasstuhl.« Ich erklärte ihm ausführlich, wie der Stuhl funktioniert. Ich wollte, daß er informiert war, bevor er eine letzte Chance bekam. Während ich sprach, wurde sein Gesicht grau und feucht vor Angst.

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