Das Lied von Eis und Feuer 02 - Das Erbe von Winterfell
gesehen. Soll ich die für Euch holen?«
»Damit es dir das Herz bricht?«, gab Tyrion zurück. »Ich werde Shae behalten. Hast du dir vielleicht den Namen des Ritters gemerkt, dem du sie genommen hast? Den möchte ich in der Schlacht lieber nicht neben mir haben.«
Bronn erhob sich, katzengleich und katzenschnell, drehte sein Schwert in der Hand. »Ihr werdet mich in der Schlacht neben Euch haben, Zwerg.«
Tyrion nickte. Er spürte die warme Nachtluft auf seiner Haut. »Sorg dafür, dass ich diese Schlacht überlebe, und du kannst dir die Belohnung wählen.«
Bronn warf das Langschwert von der Rechten in die Linke und versuchte einen Hieb. »Wer würde schon einen wie Euch erschlagen wollen?«
»Mein Hoher Vater zum Beispiel. Er hat mich in die vorderste Reihe bestellt.«
»Das würde ich ebenso machen. Ein kleiner Mann mit einem großen Schild. Die Bogenschützen werden einen Anfall bekommen.«
»Seltsamerweise finde ich dich unterhaltend«, sagte Tyrion. »Ich muss verrückt sein.«
Bronn steckte das Schwert in die Scheide. »Ohne jeden Zweifel.«
Als Tyrion wieder in sein Zelt kam, rollte Shae auf ihren Ellenbogen und murmelte schläfrig: »Ich bin aufgewacht, und M’lord war fort.«
»M’ lord ist wieder da.« Er legte sich ganz nah zu ihr.
Ihre Hand glitt zwischen seine verkümmerten Beine und fühlte, dass er hart war. »Ja, das ist er«, flüsterte sie und streichelte ihn.
Er fragte sie nach dem Mann, dem Bronn sie fortgenommen hatte, und sie nannte den kleinen Gefolgsmann eines unbedeutenden Lords. »Seinesgleichen habt Ihr nicht zu fürchten, M’lord«, sagte das Mädchen und rieb dabei eifrig seinen Schwanz. »Er ist ein kleiner Mann.«
»Und was bitte bin ich?«, fragte Tyrion. »Ein Riese?«
»O ja«, schnurrte sie, »mein Riese von Lennister.« Dann stieg sie auf ihn, und für eine Weile war er fast bereit, ihr zu glauben. Tyrion schlief lächelnd ein …
… und erwachte vom Gellen der Trompeten. Shae rüttelte ihn an der Schulter. »M’lord«, flüsterte sie. »Wacht auf, M’lord. Ich fürchte mich.«
Benommen setzte er sich auf und warf die Decke zurück. Der Ruf von Hörnern ging durch die Nacht, wild und drängend, ein Rufen, das verkündete: schnell, schnell, schnell. Er hörte Schreie, das Klappern von Speeren, das Wiehern von Pferden, wenn auch noch nichts, das in seinen Ohren nach Kampf klang. »Die Trompeten meines Vaters«, sagte er. »Sammeln zur Schlacht. Ich dachte, der Stark wäre noch einen Tagesmarsch entfernt.«
Shae schüttelte den Kopf, verwirrt. Ihre Augen waren groß und weiß.
Ächzend kam Tyrion auf die Beine und bahnte sich einen Weg nach draußen und rief nach seinem Knappen. Fetzen von fahlem Nebel wehten durch die Nacht, lange, weiße Finger, die vom Fluss her kamen. Männer und Pferde stolperten in der vormorgendlichen Kälte herum. Sättel wurden festgezurrt, Wagen beladen, Feuer gelöscht. Wieder gellten die Trompeten: schnell, schnell, schnell. Ritter sprangen auf schnaubende Pferde, während Soldaten im Laufen ihre Schwertgurte anlegten. Als er Pod fand, schnarchte der Junge friedlich. Tyrion versetzte ihm einen harten Tritt in die Rippen. »Meine Rüstung«, verlangte er, »und beeil er sich damit.« Bronn trat aus dem Nebel hervor, bereits gepanzert und zu Pferd, trug seinen verbeulten Halbhelm. »Weißt du, was passiert ist?«
»Der junge Stark ist uns einen Marsch voraus«, sagte Bronn. »Er ist bei Nacht den Königsweg herabgeschlichen, und jetzt ist sein Heer kaum eine Meile nördlich von hier und nimmt Aufstellung zur Schlacht.«
Schnell, riefen die Trompeten, schnell, schnell, schnell.
»Sorg dafür, dass die Stammesleute sich bereitmachen. « Tyrion duckte sich ins Zelt zurück. »Wo sind meine Kleider?«, bellte er Shae an. »Da. Nein, das Lederne, verdammt! Ja. Bring mir meine Stiefel.«
Als er fertig angezogen war, hatte sein Knappe die Rüstung
ausgebreitet, soweit er eine bei sich hatte. Tyrion besaß eine hübsche Rüstung aus schwerem Stahl, die seinem verkrüppelten Leib vorzüglich passte. Leider lag sie warm und trocken auf Casterlystein. Er musste sich mit Resten begnügen, die er von Lord Lefferts Wagen gesammelt hatte: Hemd und Kappe aus Ketten, die Halsberge eines toten Ritters, bewegliche Beinschienen und Handschuhe und spitze, stählerne Stiefel. Einiges davon war verziert, anderes schlicht. Kein Teil war wie das andere oder passte, wie es sollte. Sein Brustpanzer war für einen größeren Mann gedacht. Für seinen
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