Das Lied von Eis und Feuer 02 - Das Erbe von Winterfell
Ebenen, Grüfte, die noch tiefer und dunkler waren, wo die noch älteren Könige begraben lagen. Sie durften das Licht auf keinen Fall verlieren. Sommer weigerte sich, die Stufen zu verlassen, obwohl Osha der Fackel folgte, mit Bran in ihren Armen.
»Erinnerst du dich an die Geschichten, Bran?«, sagte der Maester im Gehen. »Erzähl Osha, wer sie waren und was sie taten.«
Bran sah zu den vorüberziehenden Gesichtern auf, und all die Sagen fielen ihm wieder ein. Der Maester hatte ihm die Geschichten erzählt, und die Alte Nan hatte sie zum Leben erweckt. »Der da ist Jon Stark. Als die Seeräuber im Osten landeten, hat er sie vertrieben und die Burg von Weißwasserhafen gebaut. Sein Sohn war Rickard Stark, nicht der Vater meines Vaters, sondern ein anderer Rickard, er hat dem Marschenkönig die Eng genommen und seine Tochter geheiratet. Theon Stark ist der Dünne mit dem langen Haar und dem schmalen Bart. Man nannte ihn den »Hungrigen Wolf«, weil er ständig Krieg führte. Das ist ein Brandon, der Große mit dem verträumten Gesicht, er war Brandon, der Schiffbauer, weil er das Meer liebte. Sein Grab ist leer. Er hat versucht, nach Westen über das Meer des Sonnenuntergangs zu segeln und ward nie mehr gesehen. Sein Sohn war Brandon, der Verbrenner, weil er aus Trauer die Fackel an alle Schiffe seines Vaters hielt. Der dort ist Rodrik Stark, der die Bäreninsel in einem Ringkampf gewann und sie den Mormonts gab. Und das ist Torrhen Stark, der Kniende König. Er war der letzte König im Norden und der erste Lord von Winterfell, nachdem er sich Aegon, dem Eroberer, gebeugt hatte. Oh, da, das ist Cregan Stark. Er hat einmal mit Prinz Aemon gefochten, und der Drachenritter sagte, er hätte nie einem besseren Schwertkämpfer gegenübergestanden. « Fast waren sie nun am Ende, und Bran spürte, wie Trauer ihn umfing. »Und das ist mein Großvater,
Lord Rickard, der vom Irren König Aerys enthauptet wurde. Seine Tochter Lyanna und sein Sohn Brandon liegen in den Gräbern neben ihm. Nicht ich, ein anderer Brandon, der Bruder meines Vaters. Eigentlich sollten sie keine Statuen haben, die gibt es nur für die Lords und die Könige, aber mein Vater hat sie so sehr geliebt, dass er ihnen welche machen ließ.«
»Das Mädchen war sehr hübsch«, sagte Osha.
»Robert war mit ihr verlobt, um sie zu heiraten, aber Prinz Rhaegar hat sie verschleppt und vergewaltigt«, erklärte Bran. »Robert hat einen Krieg geführt, um sie zurückzuholen. Er hat Rhaegar am Trident mit seinem Hammer erschlagen, aber Lyanna ist gestorben, und er hat sie nie wieder bekommen.«
»Eine traurige Geschichte«, sagte Osha, »aber diese leeren Löcher sind noch trauriger.«
»Lord Eddards Grab, wenn seine Zeit gekommen ist«, sagte Maester Luwin. »Hier hast du deinen Vater im Traum gesehen, Bran?«
Die Erinnerung daran ließ ihn erschauern. Beklommen sah er sich in der Gruft um, und die Härchen in seinem Nacken stellten sich auf. Hatte er etwas gehört? War hier jemand?
Maester Luwin trat vor den offenen Sarg, mit der Fackel in der Hand. »Wie du siehst, ist er nicht hier. Und so wird es auch so manches Jahr noch bleiben. Träume sind nur Träume, Kind.« Er hielt seinen Arm ins Schwarze dort im Grab wie in den Rachen eines großen Tieres. »Siehst du? Es ist ganz leer …«
Knurrend sprang die Finsternis ihn an.
Bran sah Augen wie grünes Feuer, Fell, so schwarz wie das Loch um sie herum. Maester Luwin schrie auf und warf die Hände in die Luft. Die Fackel fiel ihm aus der Hand, prallte vom steinernen Gesicht des Brandon Stark ab und
fiel der Statue vor die Füße, dass die Flammen an ihren Beinen leckten. Im trunken verwehenden Fackelschein sahen sie, wie Luwin mit dem Schattenwolf rang, mit der einen Hand auf seine Schnauze einschlug, während die Kiefer sich um die andere schlossen.
»Sommer!« , schrie Bran.
Und Sommer kam, schoss aus dem Dunkel hinter ihnen hervor, ein springender Schatten. Er fiel über Struppel her und stieß ihn zurück, und die beiden Schattenwölfe rollten in einem Gewirr aus grauem und schwarzem Fell herum und herum, schnappten und bissen nacheinander, während Maester Luwin auf die Knie kam. Sein Arm war blutig aufgerissen. Osha lehnte Bran an Lord Rickards steinernen Wolf, dann eilte sie, dem Maester beizustehen. Im Licht der tropfenden Fackel kämpften zwanzig Fuß hohe Schattenwölfe an Mauern und Decken.
»Struppi«, rief eine leise Stimme. Als Bran aufblickte, stand sein kleiner Bruder in der Öffnung von
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