Das Lied von Eis und Feuer 02 - Das Erbe von Winterfell
über die Rundung ihres Bauches. »Ich will haben, wozu ich hergekommen bin«, erklärte er ihr. »Ich will die Krone, die er mir versprochen hat. Er hat dich gekauft, aber er hat nie für dich bezahlt. Sag ihm, ich will, was wir vereinbart haben, sonst nehme ich dich wieder mit. Dich und die Eier. Seinen verdammten Balg kann er gern behalten. Ich schneid den Bengel raus und lass ihn da.« Das Schwert drang durch die Seide und stach in ihren Nabel. Viserys weinte, das sah sie, weinte und lachte gleichzeitig, dieser Mann, der einst ihr Bruder gewesen war.
Wie aus weiter Ferne hörte Dany, dass ihre Magd Jhiqui vor Angst schluchzte, flehte, dass sie nicht wagte zu übersetzen, dass der Khal sie fesseln und mit seinem Pferd den ganzen Weg zur Mutter aller Berge schleifen würde. Sie legte ihren Arm um das Mädchen und tröstete es: »Hab keine Angst! Ich werde es ihm sagen.«
Sie wusste nicht, ob sie genügend Worte kannte, doch als sie fertig war, erwiderte Khal Drogo ein paar barsche Sätze auf dothrakisch, und sie wusste, dass er verstanden hatte. Die Sonne ihres Lebens trat von der Hohen Bank herab. »Was hat er gesagt?«, fragte der Mann, der ihr Bruder gewesen war, und zuckte dabei.
In der Halle war es so still geworden, dass sie die Glöckchen in Khal Drogos Haar hören konnte, die bei jedem Schritt leise klingelten. Seine Blutreiter folgten ihm wie drei kupferne Schatten. Daenerys war kalt geworden. »Er sagt, du sollst eine prächtige, goldene Krone bekommen, damit die Menschen erzittern, wenn sie dich sehen.«
Viserys lächelte und ließ das Schwert sinken. Das war das Traurigste, das später noch lange an ihr nagen sollte … wie er lächelte. »Mehr wollte ich nicht«, sagte er. »Nur was vereinbart war.«
Als die Sonne ihres Lebens zu ihr kam, schlang Dany einen
Arm um seine Hüfte. Der Khal sagte ein Wort, und seine Blutreiter sprangen vor. Qotho packte den Mann, der ihr Bruder gewesen war, beim Arm. Haggo zertrümmerte sein Handgelenk mit einer einzigen, scharfen Drehung seiner mächtigen Hände. Cohollo zog das Schwert aus seinen kraftlosen Fingern. Noch immer verstand Viserys nicht. »Nein«, rief er, »ihr dürft mir nichts tun, ich bin der Drache, der Drache, und man wird mich krönen!«
Khal Drogo löste seinen Gürtel. Die Medaillons waren aus gediegenem Gold, massiv und verziert, jedes davon groß wie eine Menschenhand. Er rief einen Befehl. Kochsklaven zogen einen schweren, eisernen Topf vom Feuer, kippten dessen Inhalt auf den Boden und stellten den Topf aufs Feuer zurück. Drogo warf den Gurt hinein und sah mit ausdrucksloser Miene zu, wie die Medaillons rot wurden und ihre Form verloren. Sie sah, wie Feuer im Onyx seiner Augen tanzte. Ein Sklave reichte ihm ein Paar dicke Handschuhe aus Pferdehaar, und er zog sie an, würdigte den Mann dabei keines Blickes.
Viserys fing an, wortlos, schrill zu schreien wie der Feigling, der dem Tod ins Auge blickt. Er zappelte und trat um sich, wimmerte wie ein Hund und weinte wie ein Kind, aber die Dothraki hielten ihn zwischen sich. Ser Jorah hatte sich einen Weg an Danys Seite gebahnt. Er legte ihr die Hand auf die Schulter. »Wendet Euch ab, Prinzessin, ich bitte Euch.«
»Nein.« Sie verschränkte die Arme schützend auf ihrem runden Bauch.
Schließlich starrte Viserys sie an. »Schwester, bitte … Dany, sag ihnen … befehle ihnen … süßes Schwesterchen …«
Als das Gold halbwegs geschmolzen war und zu fließen begann, griff Drogo in die Flammen und zog den Topf vor. »Krone!«, brüllte er. »Hier. Eine Krone für den Karrenkönig!
« Und kippte den Topf über dem Kopf des Mannes aus, der einst Danys Bruder gewesen war.
Das Geräusch, das Viserys Targaryen von sich gab, als dieser grässliche, eiserne Helm sein Gesicht verhüllte, hatte nichts Menschliches an sich. Seine Füße trampelten in Panik auf dem erdigen Boden umher, dann langsamer, dann kamen sie zur Ruhe. Dicke Rinnsale von geschmolzenem Gold liefen auf seine Brust, setzten die rote Seide in Brand … dennoch wurde kein Tropfen Blut vergossen.
Er war kein Drache, dachte Dany eigentümlich gelassen. Feuer kann einen Drachen nicht töten.
EDDARD
Er wanderte durch die Gruften unter Winterfell, wie er es tausendmal zuvor getan hatte. Die Könige des Winters sahen mit eisigen Augen, wie er vorüberging, und die Schattenwölfe zu ihren Füßen wandten die großen Steinköpfe und knurrten. Schließlich kam er zu dem Sarg, in dem sein Vater ruhte, Brandon und Lyanna an seiner Seite.
Weitere Kostenlose Bücher