Das Lied von Eis und Feuer 02 - Das Erbe von Winterfell
sie sagen … dieses Letzte … das habe ich richtig gemacht. Du wirst mich nicht enttäuschen. Jetzt wirst du regieren. Du wirst es hassen, mehr noch als ich … aber du wirst es gut machen. Hast du fertig geschrieben?«
»Ja, Majestät.« Ned hielt Robert das Blatt hin. Der König kritzelte blindlings seine Unterschrift, verschmierte Blut auf dem Papier. »Es sollten Zeugen dabei sein, wenn der Brief versiegelt wird.«
»Bereitet den Keiler zu meiner Beerdigung«, keuchte Robert. »Ein Apfel im Maul, die Haut knusprig gebraten. Verspeist den Scheißkerl. Und wenn ihr an ihm erstickt. Versprich es mir, Ned.«
»Ich verspreche es.« Versprich es mir, Ned, hörte er Lyannas Stimme.
»Das Mädchen«, sagte der König. »Daenerys. Lass sie leben. Wenn du kannst, falls es … nicht zu spät … sprich mit ihnen … Varys, Kleinfinger … lass nicht zu, dass sie sie töten.
Und hilf meinem Sohn, Ned. Lass ihn … besser werden, als ich es war.« Er zuckte zusammen. »Mögen die Götter mir gnädig sein.«
»Das werden sie, mein Freund«, sagte Ned. »Das werden sie.«
Der König schloss die Augen und schien sich zu entspannen. »Hab ein Schwein erlegt«, murmelte er. »Sollte lachen, aber es schmerzt zu sehr.«
Ned lachte nicht. »Soll ich sie hereinrufen?«
Robert nickte schwach. »Wie du willst. Bei allen Göttern, wieso ist es hier so kalt?«
Die Diener eilten herein und beeilten sich, die Feuer zu schüren. Die Königin war gegangen. Das zumindest bot eine gewisse Erleichterung. Falls sie bei Verstand war, würde Cersei ihre Kinder nehmen und noch vor Tagesanbruch fliehen, dachte Ned. Sie war schon viel zu lang geblieben.
König Robert schien sie nicht zu vermissen. Er bat seinen Bruder Renly und Großmaester Pycelle, zu bezeugen, wie er sein Siegel in das heiße, gelbe Wachs drückte, das Ned auf seinen Brief hatte tropfen lassen. »Nun gebt mir etwas gegen den Schmerz, und lasst mich sterben.«
Eilig mischte ihm Großmaester Pycelle einen Becher mit Mohnblumensaft. Diesmal nahm der König einen tiefen Zug. Sein schwarzer Bart war von dicken, weißen Tropfen übersät, als er den leeren Becher von sich warf. »Werde ich träumen?«
Ned antwortete: »Das wirst du.«
»Gut«, sagte er lächelnd. »Ich werde Lyanna von dir grüßen, Ned. Achte für mich auf meine Kinder.«
Wie ein Messer bohrten sich die Worte in Neds Bauch. Einen Moment lang wusste er nicht, was er sagen sollte. Er konnte nicht lügen. Dann fielen ihm die Bastarde ein: die kleine Barra an der Mutterbrust, Mya im Grünen Tal, Gendry an seinem Schmiedeofen und all die anderen. »Ich
werde … deine Kinder hüten wie die meinen«, sagte er langsam.
Robert nickte und schloss die Augen. Ned sah, wie sein alter Freund sanft in die Kissen sank, derweil der Mohnblumensaft den Schmerz von seiner Miene wischte. Schlaf überkam ihn.
Schwere Ketten klirrten leise, als Großmaester Pycelle zu Ned herantrat. »Ich will alles tun, was in meiner Macht steht, Mylord, aber die Wunde ist brandig geworden. Es hat zwei Tage gedauert, ihn hierherzubringen. Da war es schon zu spät. Ich kann die Schmerzen Seiner Majestät wohl lindern, allein die Götter könnten ihn heilen.«
»Wie lange noch?«
»Im Grunde müsste er längst tot sein. Nie habe ich einen Mann gesehen, der so versessen an seinem Leben hing.«
»Mein Bruder war von jeher stark«, sagte Lord Renly. »Klug vielleicht nicht, aber stark.« In der glühenden Hitze der Schlafkammer stand ihm der Schweiß auf der Stirn. Wie er dort stand, hätte er auch Roberts Geist sein können, jung und dunkel und gut aussehend. »Er hat den Keiler erlegt. Seine Eingeweide hingen aus dem Bauch, und dennoch hat er den Keiler irgendwie erlegt.« Seine Stimme war voller Verwunderung.
»Robert war nie jemand, der das Schlachtfeld verlässt, solange noch ein Feind auf seinen Beinen steht«, erklärte Ned.
Draußen vor der Tür bewachte Ser Barristan Selmy noch die Turmtreppe. »Maester Pycelle hat Robert Mohnblumensaft gegeben«, teilte ihm Ned mit. »Achtet darauf, dass niemand ohne meine Zustimmung seine Ruhe stört.«
»Es soll sein, wie Ihr befehlt, Mylord.« Ser Barristan wirkte älter, als er nach Jahren zählte. »Ich habe mich gegen meinen heiligen Eid vergangen.«
»Selbst der beste Ritter kann einen König nicht vor sich
selbst beschützen«, sagte Ned. »Robert jagte für sein Leben gern Wildschweine. Ich habe gesehen, wie er Tausende davon erlegt hat.« Er hielt die Stellung, ohne mit der Wimper zu
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