Das Lied von Eis und Feuer 7 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 7 - A Feast of Crows. A Song of Ice and Fire, vol 4 (4/1)
zu folgen. Er erfordert ungewöhnliche
Stärke an Leib und Seele und zudem ein Herz, das gleichermaßen hart und stark sein muss.«
Ich habe ein Loch an der Stelle, wo mein Herz sein sollte, dachte sie, und ich habe keinen anderen Ort, wohin ich gehen kann. »Ich bin stark. So stark wie Ihr. Ich bin hart.«
»Du glaubst, dies sei der einzige Ort für dich.« Es war, als hätte er ihre Gedanken gehört. »Da irrst du dich. Im Haus eines Händlers würdest du eine angenehmere Arbeit finden. Oder möchtest du lieber Kurtisane werden, damit man Lieder über deine Schönheit singt? Sag es nur, und wir schicken dich zur Schwarzen Perle oder zur Tochter der Dämmerung. Dort wirst du auf Rosenblüten schlafen und seidene Röcke tragen, die bei jeder Bewegung rascheln, und große Lords werden sich für dein Jungfrauenblut an den Bettelstab bringen. Oder wenn du dich nach Heirat und Kindern sehnst, nur heraus damit, und wir finden einen Gemahl für dich. Einen ehrlichen Lehrjungen, einen reichen alten Mann, einen Seefahrer, was immer du dir wünschst.«
Nichts davon wollte sie. Wortlos schüttelte sie den Kopf.
»Träumst du von Westeros, Kind? Luco Prestayns Strahlende Dame läuft morgen aus, nach Möwenstadt, Dämmertal, Königsmund und Tyrosh. Sollen wir auf dem Schiff einen Platz für dich finden?«
»Ich komme doch gerade aus Westeros.« Manchmal hatte sie das Gefühl, es seien schon tausend Jahre vergangen, seit sie aus Königsmund geflohen war, und dann wieder kam es ihr vor wie gestern, doch sie wusste, zurück konnte sie nicht. »Ich werde fortgehen, wenn Ihr mich nicht hier haben wollt, aber nicht dorthin .«
»Meine Wünsche spielen keine Rolle«, erwiderte der Gütige Mann. »Vielleicht hat der Vielgesichtige Gott dich hergeführt, damit du zu Seinem Werkzeug wirst, aber wenn ich dich so anschaue, sehe ich ein Kind … und schlimmer noch, ein Mädchen. Im Laufe der Jahrhunderte haben Ihm mit den Vielen Gesichtern viele gedient, aber nur wenige Seiner Diener waren
Frauen. Frauen bringen Leben in die Welt. Wir bringen das Geschenk des Todes. Niemand kann beides.«
Er versucht, mir Angst einzujagen, um mich zu vertreiben, dachte Arya, genauso wie mit dem Wurm. »Das ist mir gleich.«
»Das sollte dir aber nicht gleich sein. Bleib hier, und der Vielgesichtige Gott wird deine Ohren nehmen, deine Nase, deine Zunge. Er wird deine traurigen grauen Augen nehmen, die so viel gesehen haben. Er wird deine Hände, deine Füße, deine Arme und deine Beine nehmen, sogar dein Geschlecht. Er wird dir deine Hoffnungen und deine Träume nehmen, deine Liebe und deinen Hass. Wer in Seinen Dienst eintritt, muss alles aufgeben, was ihn zu dem macht, der er ist. Kannst du das?« Er legte ihr die Hand unter das Kinn und sah ihr tief in die Augen, so tief, dass sie erschauerte. »Nein«, sagte er, »ich glaube nicht, dass du das kannst.«
Arya schlug seine Hand zur Seite. »Ich könnte, wenn ich wollte .«
»Das sagt Arya aus dem Hause Stark, die sogar Grabwürmer isst.«
»Ich kann alles aufgeben, was ich will!«
Er deutete auf ihre Schätze. »Dann fang damit an.«
An diesem Abend ging Arya nach dem Essen in ihre Zelle, zog ihre Robe aus und flüsterte ihre Namen, doch der Schlaf wollte sich nicht einstellen. Sie warf sich auf ihrer Lumpenmatratze von einer Seite auf die andere und nagte an ihrer Unterlippe. An der Stelle in ihrem Innern, wo sich einst ihr Herz befunden hatte, spürte sie das Loch.
In tiefschwarzer Nacht stand sie wieder auf, zog die Kleider an, die sie auf dem Weg von Westeros hierher getragen hatte, und schnallte sich den Schwertgurt um. Nadel hing an einer Hüfte, der Dolch an der anderen. Sie setzte ihren Schlapphut auf, steckte die fingerlosen Handschuhe in den Gürtel, nahm die Silbergabel in die Hand und stahl sich die Treppe hinauf. Arya aus dem Hause Stark ist hier nicht zu Hause , dachte sie. Aryas Zuhause war in Winterfell, aber Winterfell gab es
nicht mehr. Wenn der Schnee fällt und die weißen Winde wehen, stirbt der einsame Wolf, doch das Rudel überlebt. Sie jedoch hatte kein Rudel. Ihr Rudel hatten sie umgebracht. Ser Ilyn und Ser Meryn und die Königin , und als sie sich ein neues hatte suchen wollen, hatten sie alle im Stich gelassen, Heiße Pastete und Gendry und Yoren und Lommy Grünhand, sogar Harwin, der ein Mann ihres Vaters gewesen war. Sie schob sich durch die Flügeltür hinaus in die Nacht.
Zum ersten Mal, seit sie den Tempel betreten hatte, war sie im Freien. Der Himmel war
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