Das Mädchen aus Mantua
Früchte gekauft hatte.
»Monna Celestina!«, sagte er erfreut. »So trifft man sich wieder!«
Sie lächelte ihm zu. »Frater Silvano.« Auf den Leinensack deutend, fragte sie: »Ihr kümmert Euch um das leibliche Wohl Eurer Klosterbrüder?«
Er lachte. »Die Zwiebeln sind nicht für meine Brüder bestimmt, sondern für die Kranken.«
»Richtig, Ihr erwähntet ja, dass Ihr im Spital San Lorenzo tätig seid. Gebt Ihr den Kranken Zwiebeln zu essen? Ist blähende Kost für die Bettlägerigen nicht ungesund?«
»Nur, wenn sie innerlich angewendet wird.« Frater Silvano klopfte auf den Zwiebelsack. »Äußerlich aufgebracht, hat diese hilfreiche Knolle schon manche Entzündung geheilt.«
Celestina wusste, dass das zutraf. In Mantua hatte sie eine Kräuterfrau kennengelernt, die auf Zwiebeln schwor. Frisch aufgeschnitten, konnten sie zum Reinigen von Wunden benutzt werden sowie auch dafür, üble Säfte aus Furunkeln zu ziehen. Als Auflage bei Hals- und Ohrenschmerzen half es der Kräuterfrau zufolge ebenfalls. Spontan überlegte Celestina, ob eine Zwiebelauflage vielleicht gegen Martas Eiterpusteln helfen könne.
»Habt Ihr Euch gut in der Stadt eingelebt?«, erkundigte der Mönch sich freundlich.
Celestina nickte. »Padua gefällt mir sehr. Und im Haus meines Onkels Lodovico lebt es sich angenehm.« Überrascht bemerkte sie ihren Cousin Guido, der ganz in der Nähe stand.
»Guido!« Sie winkte ihm. Seine Verlegenheit war unübersehbar. Mit widerstrebender Miene kam er näher. Ein gezwungenes Lächeln im Gesicht, deutete er auf den Korb, den sie am Arm trug. »Du … ähm, hast ja Orangen gekauft.«
»Ja, allerdings. Deine Mutter soll einige davon essen, sie sind gesund.«
»Ich … wollte mir noch ein neues Mundtuch kaufen.« Mit stolpernden Schritten entfernte er sich. »Da hinten sah ich vorhin einen Stand, wo es welche gibt.«
Und schon war er in der Menge verschwunden.
Ein wenig befremdet blickte Celestina ihm nach. Ob er die Hitze nicht vertrug? An diesem Tag war es schon kurz nach dem Terzläuten so warm, dass man unweigerlich ins Schwitzen geriet. Vor allem dann, wenn man, so wie Guido, ein eng anliegendes Samtwams mit hohem, steifem Spitzenkragen trug. Der Junge konnte sich, genau wie seine Schwester, gar nicht elegant genug kleiden. Ein seltsamer Gegensatz zu dem Mönch in seiner schlichten braunen Kutte und den derben Sandalen an den nackten Füßen. Wegen der Hitze hatte Silvano die Ärmel seines Habits hochgekrempelt. Der Souveränität seiner Erscheinung tat die schlichte, fast ärmlich anmutende Kleidung jedoch keinen Abbruch. Mit seinem ganzen Auftreten verströmte der Mönch eine solide, beinahe fassbare Selbstsicherheit.
Silvano nickte Celestina zu. »Ich muss weiter. Sicher sieht man sich noch. Ich wünsche Euch einen schönen Tag.«
Celestina erwiderte den Abschiedsgruß, dann schlenderte sie mitsamt ihrem Orangenkorb zwischen den Ständen und Marktbesuchern hindurch und hielt nach Guido Ausschau, bis sie ihn schließlich hinter einer Säule erspähte. Sie eilte zu ihm. »Was war eben los mit dir? Es kam mir fast so vor, als wolltest du Fersengeld geben!«
»Unsinn«, sagte er errötend.
Sie glaubte ihm nicht. Es war ihm ganz offensichtlich unangenehm, dass er ihr über den Weg gelaufen war. Gemeinsam gingen sie weiter. Guido war tief in Gedanken versunken, etwas schien ihn zu beschäftigen und seine Stimmung zu verdüstern.
»Worüber denkst du nach?«, fragte Celestina ihn. »Hast du Sorgen?«
»Nein«, behauptete er einsilbig.
»Wenn doch, würdest du es mir sicher nicht erzählen, oder?«
Er zuckte unbestimmt die Achseln. Dann fuhr er zusammen, und seine Miene verdunkelte sich. »Auch das noch!«
Celestina folgte seinen Blicken und sah einen Mann und eine Frau an den Ständen vorbeigehen. Die Frau mochte Anfang der vierzig sein. Sie trug ein dunkelgrünes Seidenkleid von leicht verblasster Eleganz, eine gleichfarbige Haube und um die Schultern einen dünnen Umhang. Ihr Gesicht war von herber Schönheit, mit einer edlen römischen Nase, veilchenblauen Augen und vollen Lippen, um die allerdings ein bitterer Zug lag. Die Frau sah aus, als würde sie nur selten lächeln. Der Mann an ihrer Seite war jünger als sie, vielleicht um die dreißig. Seine Kleidung war gediegen, das Wams solide geschnitten und die Stiefel passgenau gearbeitet, doch im Gegensatz zu den eleganteren Städtern hatte er auf den steifen, hohen Kragen verzichtet und trug lediglich ein Hemd mit Stehbund. Sein
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