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Das Mädchen und der Schwarze Tod

Das Mädchen und der Schwarze Tod

Titel: Das Mädchen und der Schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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Weile brauchen, um den Tod zu vergessen.
    »Vater«, fragte sie schließlich, »was machen wir denn nun mit dem Flötenspieler?«
    »Du bist ganz sicher, dass er mit der Bruderschaft im Bunde ist?«
    Nein, das war Marike nicht. Sie dachte an die Worte der Fiedlerin zurück, die geschworen hatte, der Pfeifer hätte bestimmt nichts damit zu tun. Doch es gab keine andere Erklärung. »Ziemlich …«, sie zögerte kurz, denn sie versuchte, sich zu erinnern, »Oldesloe hat gesagt, dass er mich längst aus dem Weg geschafft hätte, wenn es nach ihm gegangen wäre. Daher nehme ich an, dass der Flötenspieler nicht wollte, dass er mich tötet. Warum weiß ich nicht.«
    Johannes Pertzevals Augen wurden hart. »Oldesloe – dieser alte Haifisch! Was für ein Halsabschneider! Aber, Marike, kümmere dich nicht um den Flötenspieler. Ich werde sehen, was ich tun kann. Und das nächste Mal«, er hob ihr Kinn und sah ihr rügend in die Augen, »das nächste Mal, Marike Pertzeval, kommst du gleich zu mir. Verstanden?«
    Marike nickte und lehnte sich an seine knochige Schulter. Obwohl sie noch immer völlig taub in Herz und Kopf war, tat es gut, die Bürde dieses Wissens nicht mehr alleine tragen zu müssen. Sie hatte dem Vater so lange schon ihr Herz ausschütten wollen. Wie dumm sie gewesen war!
    Der Vater strich ihr über das Haar. »In drei Tagen ist Mariä Himmelfahrt, Kind. Es wird eine große Messe geben, in der wir all der Menschen gedenken können, die wir verloren haben, und um Gnade für ihre Seelen beten. Das wird dir guttun.«
    Sie nickte und starrte noch eine Weile vor sich hin. Schließlich erhob sie sich. »Ich bin müde. Wirst du dem Fron wegen Oldesloe Bescheid geben?«
    »Ja, Kind. Mach dir keine Sorgen.«
    »Und – Vater?«
    »Ja?«
    »Lässt du Notke ausrichten, dass Oldesloe tot ist?«
    Der Vater bedachte sie mit einem skeptischen Blick. »Das mache ich. Geh nur, Kind«, meinte er schließlich.
    Sie tat, wie ihr geheißen. Als sie auf ihrer Kammer angekommen war, ließ sie sich einfach sitzend auf ihre Bettstatt fallen und starrte ins Leere. Dabei sollte sie sich doch freuen – endlich hatte der Schrecken ein Ende. Mechanisch begann sie, sich zu entkleiden. Als sie später im Bett lag und nicht schlafen konnte, sog sie den Duft eines kleinen Kräuterbeutels tief ein und versuchte, sich in die ferne, schöne Winterlandschaft zu wünschen, in der sie stets an der Seite ihrer ganzen Familie weilen konnte. Sie vermisste ihre Mutter. Doch sosehr sie sich auch mühte, die Rückkehr dorthin gelang ihr nicht. Es war beinahe, als habe man den Schlüssel zu einer Tür umgedreht und weggeworfen. Schließlich griff Marike zu dem Rosenkranz aus Bernstein, den sie Notke noch immer nicht zurückgegeben hatte. Sie klammerte die Faust um das kleine Kreuz am Ende des Rosenkranzes und betete. Doch die Bilder ließen sich nicht aus ihrem Geist verbannen. Wenn sie die Augen schloss, sah sie Oldesloe mit dem Tod in den Armen – und der Tod war seine eigene Tochter.

DER BAUER
    Bauer Urs schlug schwankend sein Wasser an einer Hauswand ab. Es scherte ihn nicht, dass dies die Mauern von Sankt Peter waren. Ihn scherte gar nichts mehr. In der Ferne läuteten die Klosterglocken zum Nachtgebet. Urs musste an seine Eve denken. Sie hatte die Hand nach ihm ausgestreckt und ihn angefleht zu bleiben, die drei kranken Kinder an ihrer Seite im Bett. Er hatte geflucht, geheult und gewütet. Doch gegangen war er trotzdem. Heimkehren würde er erst wieder, wenn die Pest vorüber war. Und dann würde er Eve und die Kinder begraben. Sie hätte es an seiner Stelle genauso getan.
    Seitdem ließ Urs sich in der Schänke der Flussschiffer unten in der Grube an der Obertrave volllaufen. Heute hatte jemand für den ganzen Abend das Bier bezahlt. Ein alter Kerl, sagte, er sei Vater geworden. Urs schlug so etwas nicht aus. In diesen Zeiten musste man die Feste feiern, wie sie kamen. Ein finsterer Blick zum Himmel ließ ihn schwanken. Er selbst war noch einmal mit dem Leben davongekommen. Doch wenn er die Augen schloss, sah er Eves fiebergezeichnetes Gesicht und hasste sich für seine Feigheit. Daher versuchte er, so wenig wie möglich zu schlafen.
    »Vergib mir«, lallte er zu dem Turm von Petrus empor. Doch er wusste, dass es nicht die Vergebung des Heiligen war, die er suchte. Er hatte doch nur leben wollen! Das war doch ganz natürlich! Aber warum fühlte ein Teil von ihm sich dann so schuldig? Urs schnürte seine Beinkleider zu und taumelte weiter. Er

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