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Das magische Land 1 - Der Orden der Rose

Das magische Land 1 - Der Orden der Rose

Titel: Das magische Land 1 - Der Orden der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Bryan
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Selbst wenn es nur ein Kristallstückchen war, das an einer Schnur hing, es war da, angefüllt mit Schutzzaubern und schimmernd von Magie.
    Hier war nichts von alledem. Es war eine schlichte quadratische Öffnung hoch oben unter dem Dachfirst, mit einem aufgeklappten Fensterladen. Jemand war nachlässig gewesen. Es sei denn, es war Absicht, dass es eine Lücke zwischen den Schutzzaubern gab, weil jemand hereingelangen wollte oder weil jemand irgend-jemanden — oder irgendetwas — hereinlassen wollte. Gereint zitterte. Er war an einem Ort aufgewachsen, der vollkommen frei von Schutzzaubern und Magie gewesen war, und hier ängstigte er sich wegen eines einzigen ungeschützten Fensterchens.
    Er wusste wenig und verstand noch weniger. Es war seltsam, wie klar ihm das war, während er dalag, ganz allein bis auf die Pferde und Maultiere unter ihm. Die Stadt war nur eine weit entfernte Erscheinung; selbst das Ordenshaus mit all seinen Magiern und Lehrlingen schien weit weg, seine Macht gedämpft.
    Er war weder wach noch schlief er: zur Hälfte träumend und zur anderen Hälfte der Welt um sich herum bewusst. Er lag eingebettet im Stroh, warm und behaglich, als eine dunkle Gestalt die Leiter zum Dachboden heraufkletterte.
    Sie bewegte sich leise, aber ohne Heimlichkeit, als würde sie hierhergehören. Kein ängstlicher Funke loderte in Gereints Innerem auf. Mit traumähnlicher Ruhe schaute er zu.
    Die Gestalt war menschlich, eingehüllt in einen Kapuzenmantel. Sie schien ihn nicht zu bemerken, schritt leise zwischen den Heuhaufen und Strohbunden hindurch zum ungeschützten Fenster.
    Beim Anblick des Fensters krampfte sich sein Magen noch immer zusammen, doch der nächtliche Besucher beunruhigte ihn kein bisschen. Wäre er wacher gewesen, wäre ihm dies seltsam erschienen. Jetzt schien es in seinen Traum zu passen.
    Die Gestalt blieb unterhalb des Fensters stehen. Aus ihrer Haltung konnte man schließen, dass sie nach oben schaute.
    Sie hob die Hände, die im Mondlicht weiß schimmerten. Etwas Helles leuchtete in einer der Handflächen. Es war ein Kristall, klar und facettenreich. Sternenlicht erfüllte ihn. Gereint hörte ein hohes, überirdisches Singen, das leise aus dem Kristall tönte.
    Der Kristall verließ die Handfläche der Gestalt, als würde er von Fäden aus Sternenlicht emporgezogen, bis er im Zentrum des Fensters hing. Dort kam er schimmernd zum Stillstand.
    Das vage Gefühl, dass etwas nicht stimmte, sein Gefühl der Schutzlosigkeit war verschwunden. Gereints Körper wurde vor Erleichterung ganz schlaff. Die Gestalt seufzte. Es war ein zutiefst menschliches Geräusch.
    Etwas bewegte sich hinter dem Schutzzauber: ein Flattern und ein Schlängeln und ein Krabbeln von Krallen. Der mit einem Umhang bekleidete Magier stand ganz still. Selbst im Dunkeln sah Gereint die Anspannung in seinen Schultern.
    Was auch immer es gewesen sein mochte, es gab die Anstrengung auf. Noch lange nachdem das Flattern verklungen war, stand der Magier reglos da. Das Sternenlicht schwand aus dem Kristall, aber die Schutzzauber blieben bestehen. Das Haus war sicher.
    Die Gestalt drehte sich um und verließ den Heuboden auf demselben Weg, den sie gekommen war.
    Gereint wagte kaum zu atmen. Scheinbar ohne ihn zu sehen, strich sie an ihm vorbei, glitt die Leiter hinab und war verschwunden.
    Am nächsten Morgen hätte Gereint das Ganze wahrscheinlich für einen Traum gehalten, aber als er nach oben ins graue Licht schaute, sah er den Kristall im Fenster glitzern. Die Schutzzauber waren sicher, ihr Muster ungebrochen. Der jüngste Postulant dieses Hauses trat zwischen Gereint und das Fenster. »Bei Sonnenaufgang werdet ihr nach Fontevrai aufbrechen. Mach die Pferde bis dahin bereit.«
    »Du wirst mir helfen«, sagte Gereint. Der Junge machte ein mürrisches Gesicht, aber er überraschte Gereint, indem er nicht nur dablieb, sondern sich auch nützlich machte.
    Vielleicht war das die Art und Weise, wie man mit Adligen redete, dachte Gereint. Niemals fragen. Einfach Gehorsam voraussetzen.
    Als die Sonne sich am Horizont erhob, hatten sie gemeinsam die Pferde gesattelt und die Maultiere beladen. Jenseits der Mauern des Hauses war die Stadt erwacht. Die Ritter waren längst auf und gingen ihren täglichen Pflichten nach.
    Eine doppelte Karawane würde nach Fontevrai reiten: die Reiter aus Sankt Emile und jene von der Insel, die die verschleierten Damen eskortierten. Gereint sattelte persönlich ihre Pferde mit äußerster Sorgfalt, noch bevor ihm

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