Das magische Land 1 - Der Orden der Rose
jagen konnten, anderenfalls würden sie verhungern.
Gereint hatte ihnen nichts zu sagen. Was auch immer vor ihnen lag, rief ihn mit klarer, lauter Stimme.
Selbst unter Averils Befehl waren die Ritter rastlos. Als sie am Abend eine Lichtung fanden, die Wässer und Gras für die Pferde bot, bedankten sich einige, aber die meisten schlugen schweigend das Lager auf.
Gereint kam seinen Pflichten ebenfalls schweigend nach. Das Abendessen war bescheiden: ein Streifen Trockenfleisch und ein Rest Brot vom Morgen. Er aß es aus Gewohnheit, aber sein Körper erhielt mehr Kraft aus dem Wasser, das er trank.
Er versuchte, nicht daran zu denken, dass er etwas anderes sein könnte als ein Bauernsohn aus Remy. Meist wussten die Leute bei gottgeborenen Kindern, wer der Vater sein musste. Aber in Enids Fall hatte es niemals Gerüchte gegeben, und sie hatte auch nie ein Wort darüber verloren.
Er hatte immer geglaubt, dass sie sich schämte, diese einzige Unbesonnenheit ihres ansonsten vollkommen vernünftigen Lebens zuzugeben. Natürlich hatte er sich in seinen Träumen ausgemalt, sein Vater könnte ein Ritter, ein Adliger oder sogar ein Priester sein: jemand, der seinen Sohn nicht anerkennen konnte, ohne seine Position zu gefährden. Aber ein Gott? Das war nicht möglich.
Dieses Land öffnete sich ihm, weil er keine Ausbildung hatte, die ihn abschirmte oder ihm die Sicht verblendete. Das war alles. Mehr konnte nicht dahinterstecken.
Averil schlief bereits im Kreis der Ritter. Er schlug sein Lager bei den Pferden auf. Als er sich auf seiner Decke ausstreckte, bewegte sich das Amulett unter seinem Hemd. Es fühlte sich warm auf der Haut an.
Er zog es hervor. Es schimmerte im Zwielicht, die Umrisse der kunstvollen Emaillearbeit glitzerten wie goldene Fäden. Es hatte nichts Magisches an sich. Wäre es so gewesen, wäre es zusammen mit all den magischen Werken der Ritter zerstört worden.
Es sah wunderschön aus bei diesem Licht und wog schwer in seiner Hand. Er drehte es herum und inspizierte es genau. Die Rückseite war genauso aufwändig gearbeitet wie die Vorderseite, ein verschlungenes Muster aus Zweigen und Weinreben. Viele Schichten und Welten verbargen sich in diesem scheinbar schlichten Schmuckstück. Gereint runzelte die Stirn. Konnte es am Ende doch magisch sein? Nicht alle Magie gehörte zur Magie der Orden, hatten die Ritter auf schmerzliche Weise lernen müssen.
Und selbst wenn es ein Werk der Macht war, wozu war es nütze? Es forderte ihn nicht auf, irgendwelche Zauber damit auszuführen. Es war einfach nur da. Gereint umschloss es mit den Fingern. Es war doch nicht wärmer als seine Haut. Er ließ es zurück unter sein Hemd gleiten und zuckte mit den Schultern. Es war eine Erinnerung an einen Magier, der jetzt sicher tot war. Deshalb hielt er es in Ehren.
Aber als er versuchte einzuschlafen, schien das Amulett präsenter denn je. Vielleicht wurde es durch dieses Land verändert oder geweckt oder auf seine alte, längst vergessene Bestimmung hingewiesen.
Was auch immer dahintersteckte, er spürte keine Gefahr darin — nicht für sich selbst, noch in dieser Nacht. Endlich wurde er von einem tiefen Schlaf übermannt.
Am dritten Morgen ihrer Reise wurde ein Knappe namens Odilon vermisst. Seine Kameraden aus dem Ordenshaus von Arlais baten darum, nach ihm suchen zu dürfen, aber sowohl Averil als auch Mauritius schlugen ihre Bitte ab.
»Wenn er auf dem Weg ist, werden wir ihn finden«, sagte Averil. »Wenn er ihn verlassen hat, gibt es nichts, was einer von uns für ihn tun könnte. Ich will keinen weiteren von euch verlieren.«
Trotz des Ritters an ihrer Seite, der sie drohend anstarrte, waren die Knappen und Novizen kurz davor zu rebellieren. Gereint biss sich auf die Zunge, um die gereizte Stimmung nicht unnötig anzuheizen.
Averil sah jedem von ihnen in die Augen. Einige erröteten und schauten weg. Andere erwiderten ihren Blick mit unverhohlenem Trotz. Zu ihnen sagte sie: »Habt einen Tag Geduld, Messires. Wenn ihr mir am Morgen immer noch nicht traut, schicke ich zwei von euch auf die Suche.«
»Warum nicht heute?«, fragte der Frechste von ihnen mit einem so hochmütigen Gesicht, dass sie ihn am liebsten geohrfeigt hätte. »Ein Tag«, wiederholte sie ruhig. »Morgen könnt ihr tun, wie es euch beliebt, wenn es euch noch beliebt.«
Sie gaben nach. Als sie das Lager abgebrochen hatten und aufgesessen waren, ließ die Stimmung der Kolonne Gereint mit den Zähnen knirschen. Es war, als würde die
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