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Das Ministerium der Schmerzen (German Edition)

Das Ministerium der Schmerzen (German Edition)

Titel: Das Ministerium der Schmerzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dubravka Ugresic
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der Tür. Obwohl mir schon die Handgelenke wehtaten, nahm ich mir auch noch das Wohnzimmer und den Flur vor. Im Wohnzimmer saugte ich den Staub von den Tapeten, von dem verkommenen Teppichboden, vom Sofa. Das Sofa und der Teppichboden verströmten einen unangenehmen Geruch; ich bearbeitete sie so lange mit Bürste und Polsterschaum, bis ich meinte, ihn vertrieben zu haben.
    Die Tapeten waren heillos verdreckt. Ich kaufte Wandfarbe, Pinsel und eine Leiter. Die zwei folgenden Tage verbrachte ich damit, dicke Schichten weißer Farbe auf die Tapeten aufzutragen. Sie waren zum Glück von der überstreichbaren Sorte. Die frisch gestrichenen Wände sahen jetzt gut aus, aber die schmutzig graue Farbe des Holzes hob sich noch stärker gegen sie ab. Ich schmirgelte es mit Glaspapier und bepinselte es mit farblosem Lack. Auch damit verbrachte ich zwei oder drei Tage.
    Dann ging ich einkaufen. In einem Geschäft fand ich einen weiß-grauen Überwurf. Nachdem ich ihn über das Sofa gelegt, eine mitgebrachte Lampe auf den kleinen Tisch gestellt, frischeBlumen in eine Vase gesteckt und ein ordentlich gerahmtes Schwarzweißplakat – ein Foto von Lewis Hine mit Arbeitern, die auf dem Gerüst des Empire State Buildings hoch in der Luft sitzend frühstücken – an die Wand gehängt hatte, war auch das Wohnzimmer annehmbar. Es sah zwar immer noch nach einer »Studentenwohnung« aus, aber das störte mich am allerwenigsten.
    In die Küchenschränke räumte ich das Nötigste, ich hatte mir noch einen neuen Teekessel und eine schöne Teetasse aus Porzellan gekauft. Auch der Gummibaum wurde versorgt. Ich trug ihn auf den Balkon, tauschte die Erde aus, pflanzte ihn in einen schöneren und größeren Topf, entfernte die vertrockneten Zweige, wischte alle Blätter einzeln ab und stellte ihn wieder ins Zimmer. Ich sah die Videokassetten durch, die Geert und Ana hinterlassen hatten, entstaubte sie und ordnete sie in das Regal ein. Dort hinein kamen auch ihre mit Spiritus gesäuberten Bücher zusammen mit den meinen.
    Bei einem Kontrollstreifzug durch die Wohnung entdeckte ich, dass die Tapete im Flur über der Wohnzimmertür Blasen warf. Ich holte die Leiter aus der Abstellkammer mit den Gasund Stromzählern im Flur, stieg darauf und betastete die aufgeworfene Stelle. Da platzte die Tapete wie ein angestochener Ballon. Kleine Tapetenstücke blätterten von der Wand ab, und zum Vorschein kam die Betonmauer, beklebt mit vergilbten Ansichtskarten und Ausschnitten aus Illustrierten. Als ich einen davon abriss, um ihn genauer zu besehen, fiel ein großes Stück Tapete mit mehreren Schichten Farbe polternd zu Boden. Wie eine hässliche Grimasse zeigte sich mir ein seltsamer »Fries«. Es war eine pornographische Collage, das Amateurwerk eines Schwulen, der wohl vor Geert und Ana hier gewohnt hatte. Vor altgriechischen und altrömischen Kulissen waren da dunkelhaarige, nackte, mit Lorbeer bekränzte Knabenzu sehen, die plump beim Wasserlassen, Küssen und Liebkosen posierten. Das Papier in der Farbe abgestandenen Urins rief in mir Übelkeit hervor.
    Ich stieg von der Leiter hinab, ließ mich auf das Sofa fallen und blieb eine Weile wie festgenagelt sitzen. Das Zimmer war von einer merkwürdigen Stille erfüllt. Plötzlich vernahm ich ein Knistern. Mit angehaltenem Atem sah ich, wie sich an den Tapeten Risse bildeten, die sich schlängelnd ihren Weg bahnten und ineinander mündeten. Die Tapeten blähten sich auf, blätterten ab, bogen sich, sprangen auf wie Federn, lösten sich in großen Stücken von der Wand und fielen mit einem sonderbar trockenen Geräusch auf den Boden. Um mich herum schwebte, von einem unsichtbaren Wind getragen, der Mörtelstaub. Ich sah zur Wohnungstür. Der Schlüssel steckte. Dann herrschte wieder Stille. Mein Blick fiel auf meine Hände: angegriffen von den scharfen Putzmitteln, waren sie rot und geschwollen. Die Haut schuppte sich und zeigte winzige blutige Schrunden.
    Mir wurde bewusst, dass ich in den letzten Tagen nicht ein einziges Mal aus dem Fenster gesehen hatte. Ich wusste nicht, welche Jahreszeit draußen herrschte, wie spät es war, wo ich mich eigentlich befand. Ich saß nur da, hielt ein unsichtbares
low-life
-Visum in der Hand, und mir war, als blätterte ich innerlich Schicht um Schicht ab.
    Doch ich musste mir einen Ruck geben, irgendetwas tun. Ich musste die Welle der Verzweiflung unterdrücken, die in meiner Kehle stecken geblieben war. Ich stand auf, nahm die erstbeste Kassette aus dem Regal und schob sie

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