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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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nicht, wie viel Zeit uns bleibt, bevor wir untergehen«, sagte Naudé, »und ich will mir unser Ende nicht vorstellen.«
    Schon bald hatte das Wasser der Höhle unsere Hände erreicht. »Es heißt, dass Seemannsknoten sich leichter lösen lassen, wenn sie nass sind. Stimmt das?«, fragtest du mit einer Stimme, die fast wieder deine Kinderstimme war.
    Keiner hatte den Mut, dir zu antworten. Ich sah, dass der Wasserspiegel auch in der Öffnung der Grotte merklich gestiegen war. Bald würde kein Boot mehr herein- oder herauskommen.
    Als das Wasser unsere Leisten bedeckte, zitterten wir bereits alle, von heftigen Schauern geschüttelt, in der widernatürlichen Umarmung des winterlich kalten Meeres gefangen. Wie viel Zeit hatten wir noch?
    Wir wanden uns jetzt weniger fieberhaft als zuvor, da der Würgegriff des eisigen Wassers uns lähmte und wir gebannt jeden Zentimeter Haut beobachteten, der vielleicht für immer im Meer verschwand.
    Plötzlich zuckte ich zusammen. Das Wasser bedeckte jetzt auch meine Handgelenke, wo die Reibung durch die Seile Wunden hervorgerufen hatte, die bei der Berührung des Salzwassers wie Feuer brannten.
    Die Wirkung war bei euch ähnlich. Das verzweifelte Zucken unserer Oberkörper, die nach Freiheit verlangten, erinnerte mich an die auf dem Deck von Fischerbooten zappelnden Fische.
    |567| »Es ist viel Zeit vergangen! Unsere Gefährten dort oben auf der Piana dei Morti werden uns finden!« Du und Naudé klammertet euch verzweifelt an die Hoffnung. »Wenn sie uns nicht zurückkommen sehen, werden sie sagen …«
    »Werden sie sagen: Die Armen.«
    Es war die Stimme des ehemaligen Kommissars von Gorgona und Freundes von Philos Ptetès.

    »Gott sei gelobt!«, schrie ich, während das Boot, das uns vor wenig mehr als einer Stunde verlassen hatte, nun unerklärlicherweise zurückgekehrt war, um uns vor dem sicheren Tod zu retten.
    »Helft uns, schnell!«, flehten wir zu dritt.
    Mit ein paar Ruderschlägen gelangte er bis zu unserer Ecke in der Höhle, zog sich rasch Schuhe und Hosen aus und stand mit nackten Beinen bis zu den Knien im Wasser. Dann beugte sich über uns, tauchte die Arme dort in die steigende Flut, wo die Seile unsere Hände aneinander fesselten und löste die Knoten.
    »Zum Glück waren das einfache Knoten«, erklärte der ehemalige Kommissar, »die im Wasser nachgeben. Wenn es echte Seemannsknoten gewesen wären, hätte ich Euch nicht befreien können. Ich ahnte schon, dass sie euch nicht anständig gefesselt haben, denn die vier sind keine Seeleute oder Korsaren, sondern bloß Banditen. Aber sehr gefährlich.«
    »Wo sind sie denn jetzt? Wie konntest du entkommen? Und wo ist dein Freund Philos Ptetès?«, fragten wir alle durcheinander, zitternd noch, doch schon gepackt von aufgeregter Neugierde, während wir das Boot bestiegen.
    »Immer mit der Ruhe, ich erkläre Euch gleich alles.«

DISKURS LXXXVI
    Darin man an Land geht und eine böse Überraschung erlebt, auf die eine noch unerfreulichere folgt.
    Das winzige, überladene Boot fuhr an der Küste entlang, langsam, doch entschlossen, uns ans Ziel zu bringen. Zur Ausstattung des Bötchens |568| gehörten einige Decken in einer großen Strohtasche, mit denen wir uns bedeckten und mehr schlecht als recht abtrockneten, nachdem wir fast alle durchnässten Kleider ausgezogen hatten.
    »Die Menschen hier auf Gorgona scheinen gerne zu verschwinden«, sagte Gabriel Naudé lachend. Er saß am Bug, die wiedergewonnene Freiheit stimmte ihn heiter. »Erst die drei Bärtigen Sieben, Zwölf und Neunzehn, wenn ich mich nicht verrechnet habe, und jetzt der gute Philos Ptetès …«
    »Ich habe keine Ahnung, wo Sieben, Zwölf und Neunzehn hingegangen sind«, sagte der ehemalige Kommissar, »aber es gibt keinen Grund zur Sorge, das sind drei dumme Landstreicher, bestimmt sind sie nicht von den vieren entführt worden, die uns als Geiseln genommen und in ihren Unterschlupf gebracht haben. Da gab es keine Spur von anderen Gefangenen außer uns beiden.«
    »Wer sind denn nun diese Banditen?«
    »Böse Leute. Räuber der schlimmsten Art, die aus den Wäldern im toskanischen Hinterland kommen, aus dem Casentino, wo viele Entführer hausen.«
    »Und was machen sie hier auf Gorgona?«, fragte ich.
    »Wahrscheinlich verstecken sie sich hier, weil sie wegen eines schweren Verbrechens gesucht werden und abwarten, bis Ruhe einkehrt.«
    »Ehrlich gesagt, scheint mir nicht, dass sie abwarten, bis Ruhe einkehrt, wenn man bedenkt, wie sie uns behandelt haben.

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