Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
Vom Netzwerk:
einzigen Steinmauer des ärmlichen Bauwerks gegenüber vom Eingang enthielt einige verkohlte Scheite, die jedoch noch immer Wärme spendeten. Neben dem Kamin lag ein kräftiges Seil am Boden. Ich bedeutete Kemal, es aufzuheben und sich über die Schulter zu hängen. Ein gutes Seil kann immer Leben retten, überlegte ich, wie damals, als Naudé und du, Atto, in die Schlucht gestürzt wart.
    Über der noch rauchenden Glut im Kamin hing ein großer Kochkessel, in dem vor wenigen Stunden gewiss das Gulasch mit Rüben gekocht worden war. An einem Haken im Rauchfang baumelte ein breiter, blutgetränkter Lederschurz, ganz offensichtlich hatte man ihn beim Ausweiden des Tieres benutzt.
    An der Mauer des Kamins lehnte ein großes Holzbrett: darauf war das Tier geschlachtet worden (schwer zu sagen, ob es ein Hammel war oder etwas anderes, jedenfalls musste es recht groß gewesen sein). An dem Brett klebten noch Stücke von Eingeweiden, und aus all dem schloss ich, dass das Schlachten und Entbeinen dieser Bestie eine ziemlich blutige Angelegenheit gewesen sein musste, denn noch immer |585| tropfte Blut auf den Boden, wo es eine schaurige rote Pfütze bildete. Unsere Blicke kehrten zur Tischmitte und dem Gulasch zurück, das seinen Duft im ganzen Raum verbreitete.
    Die Expedition war vergeblich gewesen, von Philos Ptetès keine Spur, doch Kemal, der nicht von philologischen Marotten geplagt wurde wie Schoppe und Naudé, schien das wenig zu bekümmern.
    »Meine Freunde, jetzt wird gefeiert!«, sagte er, mittlerweile überzeugt von der Abwesenheit der Banditen. Der Korsar steckte sein Messer in den Gürtel und sog mit seinen kräftigen Lungen den Duft ein, der die Hütte erfüllte. Naudé und ich hielten uns ein wenig schüchtern im Hintergrund.
    »Na los, worauf wartet ihr?«, forderte er uns auf, »füllen wir uns den Bauch mit dieser Herrlichkeit da auf dem Tisch, bevor die vier Banditen zurückkommen.«
    Er ging nach draußen, ließ einen lauten Pfiff ertönen und gab den anderen, die noch im Gebüsch postiert waren, ein Zeichen, zu uns in die Hütte zu kommen.
    »Beeilt euch, ihr lahmen Enten! Hier gibt es zu essen für die ganze Mannschaft!«, brüllte er.
    Blitzschnell füllte sich das Hüttchen mit unserer kleinen Schar, und alle senkten, um den Tisch herum stehend, Löffel, hölzerne Schaber, ja sogar die bloßen Hände in die Schüssel.
    »Köstlich, dieses Gulasch«, sagtest du, »was für ein Tier ist das?«
    »Ich weiß nicht, aber es ist hervorragend. Sehr zart«, sagte ich.
    »Merkwürdiger Geschmack«, brummte Alis Statthalter.
    »Aber nicht schlecht. Sehr frisches Fleisch«, erwiderte Schoppe.
    »Meiner Meinung nach ist es Hirsch«, sagte Naudé.
    »Zu groß«, wandte Schoppe ein.
    »Ziege«, schlug Barbara vor.
    »Zu klein!«, entgegnete der Verehrungswürdige überflüssigerweise.
    Obwohl der deutsche Gelehrte sich vollstopfte, stehend wie alle, doch immer wieder nach vorn gebeugt, um seine Finger ohne Unterlass in die rötliche Soße zu tauchen, war er schlechtester Laune. Sein Philos Ptetès, der soeben erst gefundene, war nun wer weiß wo, Gefangener von vier Banditen in irgendeinem verborgenen Winkel von Gorgona. Vorausgesetzt er lebte überhaupt noch.
    Auch Naudé stand, während er mit Barbara Strozzi wetteiferte, wer die letzten zarten Rüben aus der Schüssel fischte, die Niederlage ins |586| Gesicht geschrieben. Als Erster hatte er den slawonischen Mönch aufgestöbert, den Hüter der größten Sammlung antiker Handschriften, doch die unbegreiflichen Launen des Schicksals hatten ihm seine Beute vor der Nase weggeschnappt.
    Die Schüssel war fast völlig geleert, als Kemal, der sich vorübergehend vom Tisch entfernt hatte, um draußen vor der Hütte nach dem Rechten zu sehen, beim Eintreten strauchelte und plötzlich ruckartig stehenblieb. Er zog das Messer aus dem Gürtel und hielt es drohend gezückt.
    »Alle weg vom Tisch«, schrie er, »und du komm da raus!«
    Unter dem Tisch kam ein Bein hervor. Jemand hatte sich dort versteckt. Da wir alle im Stehen gegessen hatten, hatte niemand die Beine unter den Tisch gesteckt, wo der Verborgene ungestört hocken geblieben war.
    Während Naudé sich mit dem Messer in der Hand neben Kemal stellte, stürzten die Unbewaffneten, du, Barbara und Schoppe, rasch aus der Hütte. Nur der ehemalige Kommissar blieb im Raum und eilte, um das an der Wand lehnende Gewehr zu ergreifen.
    »Verschont mich, ich flehe Euch an!«, bat der Mensch mit bebender Stimme.
    Er kam unter

Weitere Kostenlose Bücher