Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mysterium: Roman

Das Mysterium: Roman

Titel: Das Mysterium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
Vom Netzwerk:
öffnete die Sichtluke.
    »Ich bin es, Judas. Mach gefälligst auf!«
    Der Knecht öffnete die Tür und ließ ihn eintreten.
    »Soll ich da draußen erfrieren?« Hohe Herren schimpften beständig mit der Dienerschaft, das hatte er beobachtet. Es mußte
     daran liegen, daß sie besorgt waren, den Respekt der Dienstboten zu verlieren. Oder fürchteten sie, die Knechte könnten bei
     freundlicher Behandlung faul werden? »Das nächste Mal öffnest du beim ersten Klopfen. Verstanden? Wo ist Amiel?«
    Der Knecht verbeugte sich. »Verzeihung, Herr. Amiel ist in der Halle, Herr.«
    »Sind die anderen bei ihm?«
    »Nein, Herr, er ist allein.«
    Eine gute Nachricht. Nemo rückte im Gehen den Dupsing zurecht, den Gürtel aus glänzend polierten Silberplatten, und trat im
     Flur vor die Tür zur Halle. Er legte die Hand auf das Schnitzwerk, verharrte. Wußte er, was zu sagen war? Er ordnete seine
     Gedanken, dann drückte er die Tür auf. Amiel saß am runden, blanken Tisch, das Kinn nachdenklich auf die Faust gestützt. Nemo
     ging zu ihm hin und kniete neben seinem Stuhl nieder. Er küßte ihm dreimal die rechte Hand und |368| sagte:
»Benedicite, parcite nobis.«
Der Handrücken war kühl und weich wie Samt.
    Was tat Amiels Linke da am Gürtel? Ein Dolch! Ehe Nemo fortspringen konnte, hatte er die Klinge unter dem Kieferknochen. »Ihr
     wollt Segen?«
    »Was soll das!« stieß er hervor, ohne die Zähne auseinanderzunehmen. Eine falsche Bewegung, und die Klinge glitt ihm in den
     Mund, von unten durch die Kehle.
    »Hat der französische Zweig entschieden, den Kirchenschatz wieder an sich zu reißen, ja?«
    »Ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht.« Er hatte den Diebstahl bemerkt.
    Der Druck der Klinge wurde stärker. »Ihr habt mich belogen. Ihr habt den zweiten Teil des Dokuments nie besessen. Die Wahrheit
     ist, man hat Euch zu mir geschickt, um mir den ersten Teil zu stehlen!«
    Die empfindliche Haut am Kiefer spannte sich, jeden Augenblick mußte sie reißen. »Ich besitze den zweiten Teil. Fragt Jakobus.
     Ich habe ihm das Pergament gezeigt.«
    »Was Ihr Jakobus gezeigt habt, war mein Teil vom
Depositum
. Wo ist das Pergament?«
    Er konnte aufgeben und das
Depositum
aus der Tasche ziehen. Das bedeutete aber nicht, daß ihn Amiel am Leben ließ. Mitunter war es klüger, hartnäckig bei seiner
     erfundenen Wahrheit zu bleiben. »Nein, es war der zweite Teil. Ich kann ihn holen, dann seht Ihr es. Man hat ihn dem Dominikaner
     gestohlen für mich.«
    »Ach? Und wie kommt es, daß er ihn mir angeboten hat vor kaum einer Stunde?«
    »Er hat Euch das
Depositum
angeboten?« Nemo schluckte. »Stellt Euch vor, er will mir das Pergament aushändigen, sofern ich den Kaiser töte.«
    »Er lügt. Ihr macht einen Fehler, Perfectus.«
    »Ach ja?« Amiel packte Nemos Gurgel. Er nahm den Dolch vom Hals und richtete ihn auf die Stirn. »Ich hatte von Anfang an kein
     gutes Gefühl bei Eurem Auftauchen. Und |369| nun finde ich mein Versteck leer, Ihr seid verschwunden, und man bietet mir –« Er stockte. Es schien, als betrachte er Nemos
     Stirn. Der Dolch sank bis zur Nasenspitze nieder, und Amiel betastete eine Stelle unter Nemos Haaransatz. »Diese Narbe«, flüsterte
     er. »Und die Augen …« Er betastete den falschen Bart, umfaßte ihn und riß ihn ab.
    Die Haut brannte. »Ja, ich bin Nemo«, sagte er.
    »Wie konnte ich so blind sein!«
    »Euch geht es um Gold, um nichts anderes! Das ist Euer Ziel mit dieser Häretikerkirche, Ihr wollt Gold haben und Macht und
     Ansehen! Ihr seid widerwärtig, Amiel!« Es tat ihm wohl, er selbst zu sein. Die Wut, die er empfand, war echt, es war seine
     Wut.
    Der Perfectus sah ihn immer noch an, als sehe er ein Wunder. »Wie konntet Ihr Euch derartig verwandeln?«
    »Wer habgierig ist, sieht mitunter nur, was er sehen will.«
    »So ist es nicht. Nicht einen Gulden nehme ich für mich.«
    »Das könnt Ihr leicht behaupten.«
    »Mit dem Gold muß die reine Kirche über München hinauswachsen in das ganze Kaiserreich. Das Gold ist das Transportmittel,
     nichts weiter. Du hast das
Depositum
an dich gebracht, um dich zu bereichern, und wagst es, mich zu verurteilen? Der Dieb bist du.«
    »Ich will meinen Vater finden! Das ist alles!«
    Amiel ließ die Hand mit dem Dolch sinken, hielt ihn nur noch beiläufig wie zur Sicherheit, sollte Nemo einen Angriff wagen.
     »Wo dein Vater ist, das kannst du von mir erfahren.«
    »Wo ist er?«
    »Wo ist das
Depositum

    Nemo öffnete den Lederbeutel und zog es

Weitere Kostenlose Bücher