Das Nazaret-Projekt
Himmelszelt aufgehängt, unerreichbar jedenfalls für Kalaschnikows und Stinger-Raketen.
Um die Schuldfrage für seine schwer bewaffneten, ungebildeten und tiefgläubigen Anhänger einfach und überschaubar zu halten, war also zunächst einmal wie immer der große Satan in Gestalt des amtierenden amerikanischen Präsidenten für diese gotteslästerlichen Fernsehsendungen im ganzen mittleren Osten verantwortlich. Attabek sah das zwar erheblich differenzierter, aber mit dem Namen Nathan Brock hätte er zu diesem Zeitpunkt allerdings auch nicht viel anzufangen gewusst.
Mit ungläubigem Gesichtsausdruck starrte er auf den Bildschirm und zwirbelte hilflos und wütend unablässig seinen mittlerweile schon arg strapazierten, schwarzen Vollbart. Seinetwegen mochten ja christliche Prediger im Fernsehen reden, bis sie schwarz würden, jedenfalls, solange sie das nicht ausgerechnet in arabischer oder persischer Sprache tun würden. Genau das geschah aber neuerdings!
Ein offensichtlich christlicher Priester mit den beeindruckend asketischen Gesichtszügen einer biblischen Gestalt hielt eine gotteslästerliche Predigt in arabischer Sprache und zur besten Sendezeit! Dieser geifernde, ungläubige Hund sprach soeben über die aus seiner Sicht scheinbar höchst lustige Tatsache, dass die Farbe des Islam und des Propheten Mohammed nicht ganz ohne Grund ausgerechnet GRÜN sei! Schließlich wisse man doch seit Leonardo da Vinci, spätestens aber seit der Einführung des Farbkreises nach Goethe allenthalben, dass es diese Farbe gar nicht wirklich gibt. Sie verdankt ihre virtuelle Existenz nur der Mischung zweier wirklicher Farben, nämlich Gelb und Blau.
Attabek Zenghi war absolut fassungslos! Dann tat er das einzige, was er in diesem Augenblick überhaupt tun konnte – er sprach die Fatwa aus gegen den Teufel im strengen, schwarzen Habit mit dem weißen Stehkragen. Er konnte ja nicht ahnen, dass er dieses Ritual bald mehrmals täglich würde wiederholen müssen und dass die schiere Zahl dieser Tötungsaufrufe im Namen Allahs schnell die Kapazitäten seiner Killerkommandos übersteigen würde! Schnaubend wandte er sich seinem Adlatus und eifrigsten Koranschüler zu, der stets wie sein eigener Schatten um ihn war.
»Abdallah, du Sonne meines Herzens, mach mir sofort ein Videostandbild von dieser hässlichen Teufelsfratze und stelle sie wie immer als Fahndungs- und Vollstreckungsaufruf ins Internet! Es werden außerdem hunderttausend Dollar auf den Kopf dieses räudigen Hundes ausgesetzt, zusätzlich zu Allahs höchster Belohnung in Form von 78 Jungfrauen, fließend Wasser, Milch und Honig bei kostenloser Unterkunft im Paradies! Es wird außerdem langsam Zeit, dass wir herausfinden, wer diesen verfluchten Sender betreibt!«
Dass die Belohnung für den Killer in harten, ebenfalls grünen US-Dollars ausgelobt wurde, also der Währung des großen Scheitan, schien dem Imam keinerlei tiefgehende, moralische Konflikte zu bescheren.
Erst vor wenigen Wochen war diese höchst ominöse Botschaft christlicher Steinzeit-Fundis von der angeblichen Wiedergeburt des Jesus Christus in der Welt des Islam angekommen. Sie hatte wie eine Bombe eingeschlagen und einen kollektiven Aufschrei der Wut und Empörung ausgelöst. Dieser Jesus ist zwar keineswegs der Gottessohn, als den ihn die Christen für sich reklamieren, aber die Moslems verehren ihn immerhin unter dem Namen Isa als großen Heiligen und letzten wichtigen Verkünder vor Mohammed, dem Siegel aller Propheten.
Natürlich zeigten sich auch die Zionisten alles andere als erfreut über diese Nachricht; welchen Sinn sollte schließlich die Wiedergeburt eines kleinen, jüdischen Rabbiners haben? In der Thora stand jedenfalls nichts davon zu lesen und jedes Kind wusste schließlich, dass alles in der Schrift enthalten war! Auch in die Synagogen war sofort Misstrauen und Verärgerung eingekehrt, als der Sender namens ›Stern von Bethlehem‹ seinen Betrieb aufgenommen hatte.
Eingebettet in diffamierende Berichterstattungen, missionarische Aufrufe, gotteslästerliche Predigten und schamlose Beiträge war es erkennbar das Hauptanliegen des Fernsehsenders bzw. seiner Macher, tägliche Live-Berichte über das Leben und Wirken dieses Jesus-Klons anzukündigen, die in Kürze mit dem Tage seiner Geburt in Nazareth beginnen sollten. Attabek Zenghi war also angesichts dieser Ungeheuerlichkeit wahrlich nicht der Einzige, der in diesen Tagen in ohnmächtiger Wut seinen Bart oder wahlweise verunsichert die
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