Das Nazaret-Projekt
Schläfenlocken zwirbelte.
»Hast du mich gehört, Abdallah? Ich verlange im Namen des Allmächtigen, dass dieser ungläubige Hund im Straßengraben verreckt! Zertretet ihn wie einen giftigen Skorpion, reißt ihm die Zunge heraus und werft sie den Schweinen zum Fraße vor!«
Attabek schäumte und kreischte fast vor Zorn.
»Jawohl Herr, sofort, nur einen Augenblick noch, mein Gebieter«, murmelte Abdallah beeindruckt und fummelte hastig an seinem elektronischen Equipment herum. »Äh – mit Eurer gütigen Erlaubnis, Herr, möchte ich Euch daran erinnern, dass Eure Gäste längst vollzählig eingetroffen sind und nebenan schon ganz ungeduldig auf Euer Erscheinen warten.«
Attabek schnaubte verächtlich und versetzte dem Fernsehgerät einen saftigen Tritt. »Beim Barte des Propheten – Friede und Segen sei mit ihm – das ist mir scheißegal! Es hat mich immerhin ganze zwei Wochen gekostet, um diese selbstherrlichen und misstrauischen Bastarde endlich zu einer gemeinsamen Beratung zusammenzubringen! Jetzt werden diese Herrschaften mich gefälligst noch ein paar Minuten entbehren können!« Äußerst schlecht gelaunt erhob sich der rundliche Imam und blickte in den großen Spiegel an der Wand. »Wie sehe ich denn überhaupt aus? Kann ich so vor die Leute treten?«
»Allah ist sicherlich aufs Höchste mit Euch und eurem Aussehen zufrieden, oh Herr. Ihr werdet großen Eindruck auf Eure Gäste machen!«
Attabek knurrte, straffte seine Schultern, betrachtete sich noch einmal von der Seite und schob seinen schwarzen Turban zurecht.
»Bismillah ar-Rachman ir-Rachim!«
Mit diesen Worten öffnete er dann die beiden Türflügel zum Nebengemach und überschritt würdevoll die Schwelle.
*
»Seid gegrüßt und willkommen in meinem bescheidenen Hause, oh Ihr edlen Abkömmlinge des Propheten und seiner Familie, Friede und Segen sei mit ihnen!«
»Allahu Akhbar, Salaam aleikum!«
Nicht alle der versammelten Religionsführer erhoben sich bei diesem Gruße von ihren Sitzkissen, wie Zenghi wohl bemerkte. Das konnten sich nur die Emissäre der Emirate und Saudischen Königshäuser leisten, die damit unmissverständlich kundtaten, dass sie niemandes Autorität in Religionsfragen anerkennen würden, es sei denn, er wäre ebenfalls ein steinreicher Araber vom Stamme der Wahabiten.
Wer sich außerdem demonstrativ nicht entsprechend der Höflichkeit erhob, war der afghanische General Mustafa Dostam Junior, der sich ganz wie sein legendärer Vater im Grunde einen Dreck um Allah scherte, obwohl er bei seinen Gräueltaten nie versäumte, stets den arg strapazierten Namen des Allerhöchsten auf den Lippen zu führen.
»Meine Brüder, wie Ihr alle wisst, zeigt uns Satan seit kurzem sein wahres Antlitz. Räudige Hunde verleugnen und verhöhnen Allah und seine Propheten vor den Augen und Ohren der ganzen Welt und spucken jedem Moslem mitten ins Gesicht! Unsere Herzen sind verschleiert von Wut und Trauer! Es ist unsere allererste Pflicht, in Allahs Namen Rache zu üben und seine Ehre wiederherzustellen! Wir müssen all unsere Kraft und Fähigkeiten nutzen, um dem lästerlichen Treiben der christlichen Teufel ein schnelles Ende zu bereiten. Vergesst also bitte für einige Zeit eure kleinlichen Scharmützel, Raubzüge, Partisanenkriege und Terroraktionen und lasst uns nun in aller Eindringlichkeit und Ernsthaftigkeit beraten!«
Attabek Zenghi legte mit einer Verneigung seine rechte Hand aufs Herz, ließ sich auf sein seidenes Sitzkissen nieder und ergriff das Mundstück einer gewaltigen Wasserpfeife, um die sich die Männer gruppiert hatten.
Der grauhaarige, hagere Mullah neben ihm verneigte sich ebenfalls mit einem Griff zum Herzen. »Mit eurer Erlaubnis Herr, vergesst bitte nicht, dass wir auch deshalb hier sind, um gemeinsam zum Allerhöchsten zu beten!«
Zenghi lächelte gezwungen und verneigte sich noch einmal. »Selbstverständlich, mein lieber Bruder. Ich danke dir für diesen wichtigen Hinweis!«
Wenn es etwas gab, das dem Imam nach den Christen, Kommunisten und Juden am meisten zuwider war, dann gewiss die eifrigen Vertreter des wahren islamischen Herzens, die Sufis und deren mystische Lehren.
Der Sprecher, Scheich Jellalud’din Ibn Latif, war den versammelten Koranspezialisten schon seit geraumer Zeit mehr als suspekt. Man verdächtigte ihn immer öfter hinter vorgehaltener Hand, in Wahrheit ein hochgestellter Sufi-Meister zu sein. Die Lehre von Liebe, Demut, Güte und Hingabe war in den Augen der orthodoxen Führer aber
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