Das Nazaret-Projekt
Seite erfordern, meine sehr verehrten Brüder!«
Die finsteren Gesichter unter den schwarzen Turbanen erhellten sich ein ganz klein wenig. Alle blickten erwartungsvoll auf Attabek, der die Aufmerksamkeit sichtlich genoss.
»Mit der Aktion, die ich im Sinne habe, könnten wir sogar zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen!«
Nur mühsam konnten die Anwesenden ihre nun steigende Neugierde im Zaume halten. Als Prediger wusste Attabek genau, wie man Geschichten erzählte und die Menschen dazu brachte, aufmerksam zuzuhören.
»Ich sage nur ein Wort – Jerusalem!«
Die Mullahs und Imame zwirbelten ein wenig ratlos ihre Bärte. Was, zum Scheitan, meinte dieser vollgefressene Hurensohn mit Jerusalem?
Attabek grinste spöttisch. »Darf ich den verehrten Anwesenden vielleicht ein paar Geschichten über das Leben Isas in Erinnerung rufen, die nicht nur nach Auffassung der Christen geschichtliche Fakten sind? Also, gezeugt in Nazareth, geboren in Bethlehem, aufgewachsen in Jerusalem, gelebt und gewirkt in Palästina und Israel. Da scheint es eine Parallele zu geben! Was fällt uns zu Jerusalem ein? Jerusalem war zu dieser Zeit die Hauptstadt einer römischen Provinz. Das Erbe des römischen Weltreiches hat heute Amerika übernommen und Israel ist immer noch dessen Provinz! Allerdings heißt der Gouverneur nicht mehr Pontius Pilatus, meine Herren! Wir kennen also wahrscheinlich viele der geschichtlich überlieferten und damit vermutlich auch zukünftigen Wege und Aufenthaltsorte dieses falschen Gottessohnes, wir bräuchten also nur noch eine von langer Hand vorbereitete Falle zu stellen. Mein Vorschlag: Wir warten einfach auf den Tag, an dem dieser Klon seinen Fuß in die Altstadt von Jerusalem setzt und sprengen ihn dann mitsamt dem ganzen Tempelberg mit einer von General Dostams Atombomben, die er angeblich besorgen kann, in die Luft! Allahs Ehre und die des Propheten wäre angemessen wiederhergestellt und gleichzeitig hätten wir den Zionisten einen Schlag versetzt, den sie nur schlecht ohne Zustimmung Amerikas erwidern könnten und noch schlechter verdauen! Denkt nur daran, wie oft Jerusalem schon zerstört worden ist! Diesmal soll es für immer vernichtet werden!«
Die Kongregation war zunächst vollständig verblüfft. Was für ein schlauer und gerissener Hund, dieser dicke Imam! Ein unberechenbarer Gegner, den es heimlich im Auge zu behalten galt, vor allem dann, wenn dieses Kapitel Jesus einmal abgeschlossen sein würde.
Abd el-Khaliq Madrasi aus Uttar Pradesh, der bis dahin nur gedankenverloren mit den kostbaren Perlen seines Tasbis gespielt hatte, unterbrach mit leiser Stimme die kurze Stille nach Attabeks Vortrag. Der Fundamentalist galt als höchste religiöse Autorität der islamischen Dar-al-Ulum Hochschule in Deoband.
»Verehrter Imam Zenghi, Ihre Idee ist zwar auf den ersten Blick ganz bestechend und ich nehme an, dass uns allen hier dieser Gedanke sehr gut gefallen würde, aber mir scheint, dass Ihr Euch damit nur unwesentlich abhebt vom etwas nebulösen und äußerst schlichten Vorschlag des werten Generals Dostam. Ich kann leider nicht erkennen, wie es uns gelingen sollte, ausgerechnet Jerusalem mit einer Atomrakete oder gar einer Flugzeugbombe zu zerstören! Seit dem Beginn des offenen Krieges zwischen den Zionisten und den arabisch-islamischen Staaten gibt es wohl keinen Luftraum auf der ganzen Welt, der – abgesehen von Amerika – so stark überwacht und geschützt wird, wie zur Zeit der israelische und der über dem wiederbesetzten Palästina. Wir müssten vermutlich Dutzende von diesen ballistischen Raketen abfeuern, um auch nur eine kleine Chance zu haben, die massive Abwehr zu überwinden und dann vielleicht auch noch Jerusalem wirksam zu treffen! Außerdem würde uns wohl keine Atommacht auf der ganzen Welt neueste, modernste Hochtechnologie verkaufen, egal wie dick die Dollarbündel auch sein mögen, die wir auf den Tisch legen können. Aus diesem Grund bin ich der Meinung, dass Ihr Vorschlag nicht besonders realistisch ist, mein lieber Zenghi! Und vor allem – welch ein Aufwand, um letztendlich nur eine einzige Person zu töten, Jerusalem hin oder her! Der verehrte Mullah Nasruddin würde das wohl kurz und treffend so ausdrücken: ›Warum denn gleich eine ganze Kuh kaufen, wenn ich nur einen Becher Milch haben möchte?‹«
Attabeks listiger Gesichtsausdruck vertiefte sich und wirkte nun schon fast spöttisch. Sein rundes Gesicht glänzte und seine kleinen, schwarzen Äugelein sprühten
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