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Das Nazaret-Projekt

Das Nazaret-Projekt

Titel: Das Nazaret-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Hanf
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zaubern? Zenghi allerdings beliebte weiter in absoluten Rätseln zu sprechen: »Wer von Euch kennt die Geschichte vom Hasen und dem Igel, die sich zu einem Wettlauf verabreden? Was denn, Ihr habt noch nie davon gehört?«
    Die wackeren Wüstensöhne wirkten etwas verunsichert. Nirgendwo im ganzen heiligen Koran war auch nur ein einziges Wort über Hasen oder Igel zu finden. Vielleicht in einem der zahllosen Haditen des Propheten, deren Vorrat neuerdings unerschöpflich zu werden schien?
    Noch während Attabek seine ratlos bis unwillig wartende Zuhörerschaft herausfordernd musterte, kam ihm aus heiterem Himmel ein höchst unerfreulicher Aspekt seines stolzen Planes in den Sinn, an den er noch gar nicht gedacht hatte. Vor seinem geistigen Auge erschien nämlich das erschreckende Bild einer nuklearen Explosion mittlerer Größenordnung; die charakteristische Pilzwolke erhob sich in seinem Geiste diesmal aber nicht über der Altstadt von Jerusalem, sondern wahlweise über einer zu radioaktivem Staub zerfallenden Kaaba von Mekka und/oder der in Weißglut zerfließenden Al-Munawwara Moschee von Medina! Genauso würde mit Sicherheit die Antwort der Zionisten aussehen, wenn er es jemals wagen sollte, seinen Plan in die Tat umsetzen! Was für ein Dummkopf er doch war! Und um ein Haar hätte er sich auch noch vor aller Augen und Ohren als ein solcher zu erkennen gegeben! Seine ganze, von langer Hand und unter zahlreichen Schwierigkeiten vorbereitete Geheimaktion war im Grunde genommen nur mehr weniger als die Hälfte wert, bestenfalls noch brauchbar für einen adäquaten Gegenschlag im Falle eines nuklearen Angriffs der Zionisten. Ein Gleichgewicht des Schreckens, ganz wie zu Zeiten des ›Kalten Krieges‹ - warum nur war ihm das nicht schon früher gedämmert? Attabek hatte plötzlich gar keine Lust mehr, sich mit dem Korangelehrten weiterhin religiös verbrämte, verbale Scharmützel zu liefern oder gar noch ein einziges weiteres Wort über ein seit vielen Jahren erfolgreich gehütetes Geheimnis zu verlieren.
    Aber was sollte er den Leuten jetzt nur erzählen, nachdem er sich vor allen Dschihad-Führern so gewaltig aufgeplustert hatte? In der äußeren Hülle seines Selbstvertrauens, dem Ego, war ein kleiner Haarriss entstanden. Fieberhaft überlegte er, wie er seiner halben Bankrotterklärung entgehen könnte, die vor allem Wasser auf die Mühlen seines Intimfeindes aus Indien bedeuten würde. Im Übrigen erschien es ihm mit einem Mal auch nicht mehr besonders klug, in Anwesenheit der politisch nach wie vor völlig unberechenbaren Saudis weitere Fakten preiszugeben. Welche Option bot die beste Rückzugsmöglichkeit aus dem illustren Kreis? Kurzerhand entschloss er sich, einfach den Imam Ab el-Khalik Madrasi zum Sündenbock auf trivialster Ebene zu machen. Das vorangegangene anzügliche Wortgefecht kam ihm nun ganz gelegen – er würde einfach klein beigeben, gleichzeitig den Tiefbeleidigten spielen und sich so in den rettenden Schmollwinkel seines angeblich verletzten Stolzes retten können! Die Wüstensöhne besaßen ohnehin einen natürlichen Hang zu kindischem Stolz und würden seinen überraschenden Rückzug wohl oder übel akzeptieren.
    Abd el-Khaliqs nächste abfällige Bemerkung kam Attabeks Vorhaben deshalb auf ideale Weise entgegen. Mit zornigen Augen hatte sich der Gelehrte aufgerichtet und Zenghi mit scharfen Worten angeblafft.
    »Nun haben wir aber genug von Ihrem Versteckspiel! Wollt Ihr uns zum Besten halten? Diese Geschichte vom Hasen und vom Igel ist außerdem westlichen Ursprungs, eine Fabel höchst unislamischen Inhalts. Als Imam solltet Ihr solche Dinge wissen und beachten! Und ganz abgesehen davon: Wer hat schon einmal von Hasen und Igeln in der Wüste oder dem Hindukusch gehört?!«
    Attabek Zenghi aber gab zunächst einmal gar keine Antwort. Er saß erst eine Minute wie erstarrt, dann senkte er langsam seinen Blick. Seine rundliche, propere Gestalt schien mehr und mehr einzuschrumpfen und an Größe und Umfang zu verlieren. Ein höchst reumütiger, aber gerade noch als falsch und unehrlich erkennbarer Gesichtsausdruck stahl sich in die pausbäckigen Züge unter dem mächtigen, schwarzen Seidenturban. Zuletzt bot er ein Bild der Demut und der völligen Zerknirschung, das Ganze allerdings schon verdächtig nahe an der Grenze zur Parodie.
    »Allah der Allmächtige sei meiner armen Seele gnädig, was habe ich nur in meiner Vermessenheit angerichtet? Verzeiht mir meine Anmaßung und Respektlosigkeit,

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