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Das Nazaret-Projekt

Das Nazaret-Projekt

Titel: Das Nazaret-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Hanf
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verehrter Großscheich! Ihr habt vollkommen Recht, ich bin nur ein kleiner und völlig unbedeutender Diener Allahs, großer Ideen und Eingebungen gewiss nicht würdig! Es ist wohl angebracht, dass ich mich in Schweigen hülle und Gott und die Anwesenden hier um Verzeihung bitte. Sei gesegnet für Deinen zu Recht geübten Tadel an mir, oh weiser und gerechter Imam Madrasi!«
    Der weise und gerechte Imam el-Khaliq war natürlich völlig überrascht und überrumpelt. Misstrauisch blickte er auf Attabek Zenghi. Noch bevor die verblüffte Kongregation in enttäuschte Protestrufe ausbrechen konnte, kam dem Dicken der Zufall in Gestalt seines Adlatus zu Hilfe. Abdallah huschte gebückt und ehrerbietig durch den Versammlungsraum und flüsterte seinem Herrn eine kurze Nachricht ins dankbar geneigte Ohr. Attabek setzte eine überraschte Miene auf und erhob sich umgehend.
    »Ich bin untröstlich, meine hochgeschätzten Gäste, Sie für eine kurze Weile alleine lassen zu müssen, aber es gibt einen sehr dringenden Anruf aus Europa, den ich unbedingt entgegennehmen muss. Vielleicht sind es sogar Nachrichten, die für unser Anliegen wichtig sind! Ich bitte um Nachsicht, Exzellenzen!«
    Mit diesen Worten und wehendem Kaftan enteilte der dicke Mufti erleichtert in die angrenzenden Gemächer seines veritablen Palastes im Schatten der Medrese von Samarkand, wo ihn auf der abhörsicheren Leitung seines Telefons ein Anruf aus Zypern erwartete.

Genesis III
    Als nun die absteigende Oktave des Schöpfungsstrahles einen durch be wusste, göttliche Willensanstrengung überwundenen Halbton und drei automatisch erfolgende Ganztonschritte durchlaufen hatte, kam die Genesis zu einem vorübergehenden Stillstand. Die Überwindung des zweiten Halbtonschrittes von FA zu MI war nur durch die gemeinsame, willentliche Anstrengung aller Wesenheiten in den drei bereits entstandenen höheren Kosmen möglich, da Gottes Allmacht aufgrund seiner selbst auferlegten Beschränkung nur bis zur Schwingungsebene FA wirksam werden durfte. Die Gebete der drei Weltensphären waren aus diesem Grunde nicht nach oben, sondern nach unten gerichtet und die nach Allahs Willen letzte, durch ihn unmittelbar wirksame Handlung war die Einführung eines neuen kosmischen Gesetzes aus Notwendigkeit, genannt das Gesetz des Hazard. Hazard ist Ungewissheit gepaart mit Bedeutung.
    Dies war die Erschaffung des Zufalls, der von da an wesentlich das weitere Schicksal der fortlaufenden Schöpfung mitbestimmte. Jede Bewegung oder Handlung in den noch zu entstehenden niederen Welten würde von nun an unabsehbare Konsequenzen hervorrufen und nur mehr begleitet sein von göttlicher Liebe, Mitgefühl und immerwährender Aufmerksamkeit, aber nicht mehr gelenkt durch die Hand des Allmächtigen. Das Spiel würde nun immer facettenreicher, komplizierter und spannender werden!
    Jahwe war von kindlicher Freude und wachsender Neugierde auf sich selbst erfüllt.

Opus Angeli
    Die ehemalige Ölförderplattform ›Viking III‹, inoffiziell in ›Nazaret‹ umbenannt, war in ihrem äußeren Erscheinungsbild nahezu unverändert geblieben. Das aufwendig umgestaltete Innere bot jedoch eine erstaunliche Vielfalt an exzentrischer Architektur.
    Jedes der zahlreichen Decks war stilistisch einem Thema oder einer Epoche verbunden. Telly wurde trotz der handwerklichen Perfektion, Stilsicherheit und Liebe zum Detail das dumme Gefühl nicht los, in einer Art Disneyland herumzulaufen, perfekt wie Las Vegas, ultrakitschig und deplatziert wie Klein-Venedig samt Gondeln in der staubtrockenen Sierra Nevada, ein Faraday'scher Käfig spiritueller Eitelkeit auf drei stählernen Spinnenbeinen mitten im Meer der Einsamkeit, ein psychedelischer Palast der kalten Winde und der eisigen Wellen.
    Irgendwie seltsam deplatziert erschien auch der Mensch, der zusammen mit Telly und Nathan Brock den Lift betreten hatte. Der Logenmeister hatte um dessen Begleitung auf dem Weg ins Allerheiligste gebeten, einem Deck, das von den übrigen Bereichen der künstlichen Insel hermetisch abgeschlossen war.
    Es war ein stattlicher, kräftiger Mann mit den Gesichtszügen eines Mitteleuropäers, einer Halbglatze, großen Händen und einem Blick aus ruhigen, hellgrünen Augen; klar, direkt und neugierig wie der eines kleinen Kindes, aber ohne jede Naivität. Eine Aura von Freundlichkeit und Güte umgab diesen Menschen, die Telly ganz eigentümlich berührte. Seine überdeutliche Präsenz hatte stets die respektvolle Aufmerksamkeit jener Menschen

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