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Das Nazaret-Projekt

Das Nazaret-Projekt

Titel: Das Nazaret-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Hanf
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Neugierig trat er näher und las:

    OPUS ANGELI
    EXERCITIUM

    Hieronymus, aus dessen Augen schon wieder der Schalk blitzte, faltete andächtig seine großen Hände und flüsterte mit falschem Pathos in Tellys Ohr: »Willkommen im Namen der Rose!«
    Nathan Brock, der die Bemerkung sehr wohl gehört hatte, blickte die beiden missbilligend an und betätigte den leise quietschenden Klingelzug. Ihm war gar nicht bewusst, wie zutreffend die Bemerkung Meyrinks war, die sich nicht nur auf das klösterliche Ambiente bezogen hatte, sondern auch auf die drei wartenden Figuren ante portas – Hieronymus als der Weise und Gerechte, Telly als sein eifriger, wissbegieriger Adlatus und Brock als der strenge, verbissene, päpstliche Großinquisitor.
    Die Menschen in diesem pseudo-mittelalterlichen Kloster waren zu beneiden, denn sie schienen alle Zeit der Welt zu haben. Nichts regte sich nach dem ersten, zaghaften Läuten.
    »Vielleicht sollten wir uns mit etwas mehr Nachdruck und Bestimmtheit Gehör verschaffen«, sagte Hieronymus nach einer Weile und riss so ungestüm an dem Seilzug, dass die Glocke tanzte und einen wilden Lärm verursachte. »So, das lässt sich jetzt bestimmt nicht mehr mit einer Gebetsglocke verwechseln! Ich wundere mich übrigens sehr, dass Sie, werter Herr Brock, als Kommandant und Eigner dieses stolzen Raumschiffs namens ›Nazaret‹ hier keinen ungehinderten Zutritt haben! Wie kommt das?«
    Nathan Brock lachte, obwohl er fast ein wenig ärgerlich war. »Nun, das hat etwas zu tun mit gewissen Verträgen und vor allem auch mit Ehrfurcht und Respekt. Letzteres würde Ihnen beiden jetzt auch ganz gut anstehen, wie ich meine. Die Menschen hier nehmen ihre Aufgabe nämlich sehr ernst!«
    »Oh, es tut mir leid. Ich bitte um Verzeihung!«, sagte Hieronymus und zeigte ein bekümmertes Gesicht, das der kaum zu verbergende Schalk in seinen Augen allerdings deutlich Lügen strafte.
    Der Glockensturm war lange schon verhallt, da tat sich endlich etwas in den Tiefen des virtuellen Gemäuers. Erst war das unwillige Knarren und Quietschen einer rostigen Türangel zu vernehmen, dem die leisen Klänge eines von Frauenstimmen gesungenen Requiems folgten. Einmal mehr ergriff Telly das verunsichernde Gefühl, sich mitten in einem seltsamen Film oder Theaterstück zu befinden, ohne jeden Bezug zu dem, was er unter Realität verstand und ohne ein vernünftiges Drehbuch. Wer war hier denn tatsächlich der Regisseur? Wirklich nur Nathan Brock, der Erzkapitalist, Medienunternehmer und fundamentalistische Logengroßmeister, der nicht gerade als selbstloser Idealist und Visionär mit Sendungsbewusstsein bekannt geworden war?
    Am Ende des Wandelganges erschien eine hagere, schwarz gekleidete Person, die sich mit kleinen, aber energischen Schritten den Besuchern näherte. Eine ältere Frau in Ordenstracht, mit schmallippigem Mund und harten, tiefgefurchten Gesichtszügen baute sich in herrischer Pose vor ihnen auf, beide Arme herausfordernd auf die Hüften gestützt, und blickte die drei Männer abweisend und herablassend an.
    »Sie wünschen, bitte?« Das Bitte schien ihr nur sehr schwer über die spröden Lippen zu gehen und der Blick ihrer Augen war kalt und misstrauisch. »Hier beginnt der Exerzitienbereich des Ordens und es dürfte Ihnen bekannt sein, dass der Zutritt für Personen des weltlichen Lebens unerwünscht ist. Außerdem ist dies ein Nonnenkloster, Männer dürfen die Ordensräume nur in ganz bestimmten Fällen ausnahmsweise betreten und das auch nur, wenn es sich dabei um einen Arzt oder Priester handelt!«
    »Donnerwetter!«, entfuhr es Hieronymus. »Das nenne ich konsequent sein! Aber mit Verlaub, Schwester, was geschieht denn im Falle eines Brandes oder Wasserrohrbruchs? Muss sich der Klempner oder Feuerwehrmann trotzdem an die Ordensstatuten halten und draußen bleiben?«
    Die Nonne fand es absolut unter ihrer Würde, auf diese Frage einzugehen. Der lange, giftig starre Blick jedoch, mit dem sie Meyrink abschätzig musterte, sprach mindestens einen vollständigen, zusammenhängenden Satz mit zahlreichen Kommas, den jeder der Drei sofort förmlich hören konnte. ›Warum nur sind Männer im allgemeinen so entsetzlich abstoßend, primitiv, übelriechend, hinterhältig, plump, anmaßend und zu allem Übel auch noch meistens abgrundtief dumm?‹
    Meyrink erwiderte unbefangen und ohne jeden Wimpernschlag eine Weile ihren eisigen Killerblick.
    »Oh, das ist beinahe zu viel der Ehre. Sie überschätzen uns vielleicht ein

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