Das Nazaret-Projekt
schön cool bleiben , sagte sich Telly ›The Truth‹ und atmete mehrmals tief und gleichmäßig durch, um seine nervliche Anspannung zu lockern und die unerfreulich bohrenden Kopfschmerzen zu vertreiben, die sich beinahe gleichzeitig mit dem Betreten des eigenartigen Klosters eingestellt hatten.
Die Ordensfrau verschränkte nun die Arme vor ihrer mageren Brust; in der menschlichen Körpersprache ein deutlicher Ausdruck dafür, dass ihr Wille zur Verteidigung noch ungebrochen war. Der Ton ihrer Stimme blieb scharf, spitz und ätzend. Das erweckte in Telly die bildhafte Vorstellung, dass die Artikulation ihrer Worte durch zwei frisch abgezogene Rasierklingen anstelle menschlicher Lippen bewerkstelligt wurde.
»Nun, Großmeister Brock, ich kann leider nicht nach Belieben über Schwester Marie-Claire und ihre Zeit verfügen, die Situation ist eher umgekehrt. Als Auserwählte zur Mutter Gottes besitzt sie nämlich die absolute Autorität und Verfügungsgewalt über das Engelswerk und ist nicht den normalen Ordensregeln unterworfen! Da sie heute nicht zur Abendandacht erschienen ist – was wir alle sehr bedauert haben – kann es gut möglich sein, dass sie sich in ihre Kemenate zurückgezogen und zur Ruhe begeben hat. Eine Schwangerschaft ist schon im Normalfall etwas anderes als nur ein kleiner Schnupfen! Sie wissen ja – das Jesuskind, das sie unter dem Herzen trägt, ist kein normaler Fötus. Es wächst und gedeiht mit beängstigender Geschwindigkeit und fordert dabei das Letzte an Kraft und Gesundheit von Körper und Geist der Mutter! Ich werde nun gehen und nachsehen, ob sie Willens und in der Verfassung ist, den verehrten Herrn Reverend aus Amerika zu empfangen. Warten Sie hier solange!«
Mit diesen Worten wandte sie sich ab. Nach einer Reihe von energischen Schritten blieb sie noch einmal kurz stehen, umfasste mit ihren knochigen Händen das hölzerne Kreuz, das sie um den Hals hängen hatte und blickte halb über ihre Schulter zurück. Telly konnte dabei das Schaben und Knistern des steifgestärkten Leinentuches hören, aus dem ein Teil ihrer traditionellen Kopfhaube gefertigt war.
»Es wäre übrigens durchaus angebracht, wenn die Herren oder zumindest der Reverend die Zeit des Wartens in Kontemplation und Gebet verbringen würden, um sich in Demut und Bescheidenheit auf die Begegnung mit dem Fleisch gewordenen Sohn des Allerhöchsten angemessen vorzubereiten!«
Telly schluckte und nickte gehorsam. Er kam sich vor wie damals als Schulbub, als er vom Priester bei ungehörigem Benehmen während der heiligen Kommunion ertappt und vor der ganzen Kirchengemeinde ermahnt worden war. Als die Nonne endgültig in den Tiefen des Kreuzganges verschwunden war, blickte der Reverend fragend auf Brock, der mittlerweile einigermaßen pietätlos die Hände in den Hosentaschen versenkt und in leiser Ungeduld auf den Zehen zu wippen begonnen hatte.
»Ich bin sehr beeindruckt, Master Brock! Aber sagen Sie, was meinte die ehrwürdige Mutter eigentlich, als sie vom ungestümen Wachstum des Ungeborenen gesprochen hat? Ist das wörtlich zu verstehen?«
»Ach ja, richtig«, sagte Nathan, hörte auf zu wippen und nickte nachdrücklich mehrmals mit dem Kopf. »Wir haben tatsächlich heute Abend ganz vergessen, diese verblüffende Tatsache zu erwähnen! Der Fötus entwickelt sich sozusagen dreimal so schnell in der Gebärmutter wie ein normales Kind, die ärztlichen Untersuchungen bestätigen das immer wieder. Die Wissenschaftler sagen, dass es sich um optimierte und beschleunigte Zellteilung handelt. Wenn es bei dieser Wachstumsrate bleibt – worauf im Übrigen alles hindeutet – dann wird der gesamte Prozess der Schwangerschaft in höchstens drei Monaten beendet sein und die Geburt erfolgen!«
»Ach was«, sagte Telly erstaunt und vergaß für einen kurzen Moment sogar seine Kopfschmerzen.
Nathan nickte und blickte ihn bedeutungsvoll an. »So wie es aussieht, wird mit der Niederkunft der gesegneten Jungfrau in etwa vier bis sechs Wochen zu rechnen sein. Wenn Ihnen meine Worte etwas unglaubwürdig erscheinen, können Sie sich gern von Professor Pinzgauer und Doktor Rademacher schlau machen lassen. Die beiden haben die ganze Sache wissenschaftlich untersucht und ausführlich dokumentiert. Übrigens ist sogar vom Zeitpunkt der unbefleckten Empfängnis bis zurück zur ersten Fixierung und Aufbereitung der heiligen DNS aus dem Grabtuch alles dokumentarisch erfasst!«
Hieronymus, der unterdessen hingebungsvoll und scheinbar
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