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Das Nazaret-Projekt

Das Nazaret-Projekt

Titel: Das Nazaret-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Hanf
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verunsichert. Welchen Grund mochte es geben für den ständigen Spott und Zynismus des Älteren? Gehörte Meyrinck vielleicht zu den Enttäuschten und Abgewiesenen, denen der herabgestiegene Heiland das spirituelle Erlebnis einer Berührung oder Begegnung mit ihm verwehrt hatte?
    Im Gegensatz zu ihrer buchstäblich kräftig auftretenden Äbtissin näherten sich die beiden Nonnen katzenhaft lautlos und in fast gravitätischer Ruhe und Gelassenheit. In der Tat schienen sie förmlich zu schweben! Zwei strahlend reine Engel des Herrn, ausgesandt, um Reverend Telly Suntide an der ehernen Himmelspforte in Empfang zu nehmen und ihn sicher vor den Thron und das Angesicht des Gottessohnes zu geleiten!
    Eine schier unendliche Euphorie erfasste ihn plötzlich und fegte gnädig den rasenden Kopfschmerz hinweg. Nur mit Mühe widerstand Telly dem mächtigen Impuls, sofort auf die Knie zu fallen. Der Raum schien plötzlich erfüllt von glasklaren Klangkaskaden, kunstvoll zusammengefügt aus den bewährten Tonarten und Akkorden der christlichen, abendländischen Kirchentraditionen. Köstlicher Weihrauch und Myrrheduft erfüllten seine Brust, weiteten sein Herz und seinen Geist. Hosianna beim Einatmen, Halleluja beim Ausatmen, in den Pausen dazwischen nichts als Entzücken und Glückseligkeit, getragen von Engelschören und dem Klang von Schalmeien!
    »Hochwürden Suntide? Wir begrüßen Sie im Namen des Sohnes und seiner gebenedeiten Magd, Schwester Marie-Claire, und heißen Sie im Kloster herzlich willkommen! Sind Sie bereit, uns jetzt zu folgen?«
    Tellys Landung in der schnöden und schäbigen Welt höchst realer Kopfschmerzen erfolgte augenblicklich und etwas unsanft. Die Engel des Herrn sahen plötzlich aus wie zwei ganz normale Krankenschwestern. In dieser Sekunde wäre der Prediger kein bisschen überrascht gewesen, wenn man ihn schlicht um seine Sozialversicherungskarte oder einen ärztlichen Einweisungsschein gebeten hätte.
    Hieronymus lächelte ihn nun wieder gewohnt schelmisch an und gab ihm mit dem Ellenbogen einen freundschaftlichen Rippenstoß. »Nur keine Sorge, Sie haben nichts zu befürchten. Ihre Erwartungen werden mit Sicherheit erfüllt werden und wenn Sie einigermaßen bibelfest sind, dann gibt es für Sie nichts Neues unter der Sonne! Ich werde hier am Tor auf Sie warten.«
    Telly fühlte sich zunächst unangenehm ernüchtert, aber als er dann die Schwelle überschritten und die Schwestern das schwere Tor hinter ihm sorgfältig verriegelt hatten, stellte sich schnell wieder freudige Erregung und leichte Euphorie ein. Die Innenflächen seiner Hände wurden feucht und das Herz schlug ihm bis zum Halse. Gleichzeitig ließ der bohrende Kopfschmerz endlich nach und reduzierte sich auf einen Rest von stetigem, erträglichem Hintergrundrauschen, das sich mit jedem Schritt wieder zunehmend in den betäubenden Klang von Engelschören und Schalmeien verwandelte.
    Die Engel des Herrn schwebten nun wieder vor ihm her, ganz so, wie man das von Engeln erwarten durfte. Leider war es ihm noch nicht gestattet, ebenfalls zu schweben, obwohl er sich dazu durchaus schon im Stande fühlte. So blieb ihm nichts anderes übrig, als der schwerelosen Herrlichkeit vor seinen Augen mit tölpelhaft stolpernden, hastigen Schritten zu folgen.
    Was der Reverend natürlich nicht sehen konnte, waren die beiden kleinen, hochmodernen Handfeuerwaffen, die in den weiten Gewändern der Engel verborgen waren.
    Aber dann, ganz unvermittelt, begann eine gewaltige Furcht nach seinem Herzen zu greifen, die ihn beinahe aller anderen Sinne beraubte; eine Furcht, die über jede Todesangst weit hinausreichte und unter all den Lebewesen des Kosmos einzig im Gehirn eines Menschen entstehen und wohnen konnte. Eine Furcht, deren unselige Mutter nichts weiter als eine Idee war – die unbegreifliche, merkwürdige und äußerst fatale Idee einer kollektiven Erbsünde!
    Fast am Ende des Kreuzganges wandte sich seine Eskorte nach rechts um eine Ecke, wo sich das Gewölbe zu einem schwach erleuchteten, großzügigen Vorraum erweiterte. Vor einer schweren, zweiflügeligen Rundbogentür aus dunklem, alten Holz, eisenbeschlagen und verziert mit geschnitzten Darstellungen alttestamentarischer Szenarien, nahmen die Engel des Herrn dann wie eine Schildwache Aufstellung und wandten sich ihrem Schützling zu.
    »Wir bitten um Verzeihung, Hochwürden, aber bevor wir das Gemach der auserwählten Jungfrau betreten, müssen wir Sie noch mit ein paar Verhaltensmaßregeln bekannt

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