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Das Nazaret-Projekt

Das Nazaret-Projekt

Titel: Das Nazaret-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Hanf
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der angrenzenden Gewässer. Alle dreißig Minuten erfolgte nun durch Valettas Wanze eine blitzschnelle, automatische Positionsbestimmung des Schiffes über die Satelliten des GPS-Systems, die dann via Funkeinwahl getarnt als meteorologische Messdaten ins Internet eingespeist wurde und schließlich in Nicks Computer landete, wo sie auf der Seekarte gekoppelt mit einem akustischen Signal definierter Tonhöhe als blinkendes Pünktchen sichtbar wurde. Valetta blieb den ganzen Tag in seinem Zimmer und verfolgte den Weg des Lichtpunktes, der langsam aber stetig von links nach rechts über die Bildfläche ruckelte, immer auf striktem Ostkurs.
    Nach einigen Stunden veränderte sich plötzlich die Tonhöhe und Dauer des Signals und Nick eilte erwartungsvoll an den Bildschirm. Der Charakter des Signals ließ darauf schließen, dass Jablonskys Trawler angehalten und sich innerhalb der letzten halben Stunde nicht mehr vom Fleck bewegt hatte. Zu seiner Überraschung musste Nick feststellen, dass das Schiff keinen Hafen angelaufen hatte, sondern scheinbar auf hoher See vor Anker gegangen war. Aber warum sollte ein Schiff auf offener See vor Anker gehen, es sei denn für ein schwieriges Manöver wie zum Beispiel ein Rendezvous mit einem anderen Schiff? War der Kahn am Ende gar gesunken oder hatte man den Container einfach ins Meer geworfen, aus welchen Gründen auch immer? War Jablonsky noch abgewichster und schlauer als er gedacht hatte? Ende der Veranstaltung, Spur verloren? Zu viele Fragen auf einmal für Nick Valettas Geschmack, also bewahrte er seinen Gleichmut und wartete einfach ab. Ein schwimmender Container würde irgendwann letztendlich doch versinken und die Wanze mit sich in die Tiefe reißen, wo sie verstummen müsste und somit der Lichtpunkt auf der Karte verschwinden würde.
    Nick wachte beinahe die ganze Nacht vor dem Computer, ohne dass sich die Situation im Geringsten verändert hätte. Um sieben Uhr morgens blinkte der Punkt immer noch und Valetta bestellte sich ein reichhaltiges Frühstück auf sein Zimmer.
    Ab acht Uhr starrte er noch eine kleine Weile nachdenklich auf das weiterhin munter blinkende Pünktchen und fasste dann einen Entschluss.
    Er ließ sich die Seekarte ausdrucken, markierte darauf die Position der Wanze und steckte das Papier in die Tasche. Dann verließ er das Hotel und nahm sich ein Taxi zum Hafenamt, um dort möglichst genaue Erkundigungen über das betroffene Seegebiet anzustellen.
    Als er die Kais entlangging und seine Blicke über das Hafenbecken streifen ließ, glaubte er mit einem Mal seinen Augen nicht zu trauen. Ordentlich vertäut und an derselben Liegestelle wie zuvor dümpelte der massige Stahlrumpf der ›Archenoah‹ in der leichten Dünung! Nick war so verblüfft, dass er stehenblieb und sich beinahe verwundert am Kopf gekratzt hätte. Heilige Madonna di Campilio! An der Identität des Schiffes hatte er keinen Zweifel, aber wo zum Teufel war dann der verdammte Container mit dem Sender geblieben?
    Im Hafenamt verwies man ihn an einen brummigen, alten Seebären namens Kapitän Angström, der die Baltischen Gewässer vor den Küsten Litauens und Estlands angeblich wie seine Hosentaschen kennen würde. Nick hielt dem Kapitän ohne große Umschweife seine Karte unter die Knubbelnase und tippte mit dem Finger auf die markierte Stelle.
    »Käpt’n, was können Sie mir über die Gegend dort sagen? Gibt es dort irgendwelche Untiefen, ein Riff oder ein Schiffswrack vielleicht, eine sehr kleine Insel oder so etwas?«
    Angström beugte sich schnaufend über das Papier und setzte seine verschmierte Nickelbrille auf.
    »Laß ma seh’n, Jungchen, wo du da lang schippern willst. Untiefen und Wracks, die ham wa nämlich haufenweise hier. Willst wohl oop Schatzsuche gehen, wat? Da liecht ne Menge rostiges Zeuch auf’m Meeresboden rum, dos soch ich dir, min Jung!«
    Der alte Seebär rieb sich über den Stoppelbart an seinem Kinn. Das dabei entstehende Geräusch erinnerte Nick an grobes Schmirgelpapier auf hartem Holz.
    »Tja, min Jung, da muss ich dich enttäuschen. Da is nix mit Schatzsuche, da gibt’s kein Schiffswrack und keine Untiefen, sondern nur eine künstliche Insel, und die is bewohnt, jawoll!«
    »Eine künstliche Insel?« Nick fand diese Vorstellung etwas befremdlich.
    »Jo, min Jung. Das war mal ne Bohr- und Förderinsel, ein Riesending. Hat sich dann aber nich gelohnt, die Ölbohrerei. Das Monster is irgendwann billig verhökert worden und jetz isses eine Forschungsstation oder

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