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Das Nazaret-Projekt

Das Nazaret-Projekt

Titel: Das Nazaret-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Hanf
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Ungewissheit zu unterwerfen.
    Jetzt begann das eigentliche Spiel, ein spannender Wettlauf um die mögliche Umkehr der aszendierten Schöpfungsoktave in eine aufsteigende, und zwar zuerst durch automatische und dann durch bewusste Evolution.
    Das Ziel war die schrittweise Rückkehr zur Einheit in Erfahrung und Erkenntnis ihrer Vielheit. Nur dann würde Gott-Allah sich in seiner allumfassenden Vollkommenheit und Schönheit endlich selbst erkennen.

Das trojanische Pferd
    Telly Suntide litt noch immer unter den Symptomen eines merkwürdigen Katers, der sich bald nach seinem Offenbarungserlebnis eingestellt hatte und dessen unerklärliche Wirkung sich vor allem im veränderten Ausdruck seiner Augen zeigte. Seine Pupillen waren riesengroß und erinnerten an die geheimnisvollen, irislosen Augen der angeblichen Außerirdischen von Roswell in New Mexico, in deren konturloser Schwärze sich nichts Geringeres als die unendliche Tiefe und Rätselhaftigkeit des Weltraums zu spiegeln schien.
    Dem Gesicht eines Menschen jedoch verleiht der unfokussierte Blick solcher Augen eher den beunruhigenden Ausdruck von Fremdheit gepaart mit unberechenbarem Wahnsinn. Oder war dies bereits das in der Bibel erwähnte ominöse Zeichen auf der Stirn, an dem die Auserwählten und Gesalbten des Herrn künftig zu erkennen sein würden? War das auch die Erklärung für den eigenartigen, von rätselhafter Kraft erfüllten Blick des Hieronymus Meyrink? Das würde diesen allerdings der Unaufrichtigkeit zeihen, weil er sich ›Ihm‹ gegenüber als respektloser Häretiker ausgab. Angesichts der Ausstrahlung des Alten, welche menschliche Würde, Güte und natürliche Autorität vermittelte, erschien Telly dieser Gedanke dann doch ein wenig abwegig. Trotzdem wurde er das unbestimmte Gefühl nicht los, dass Meyrink aus einem unbekannten Grund ständig so etwas wie ein absurdes Einmann-Theaterstück aufführte.
    Telly saß regungslos in einem der grünen Ledersessel vor dem knisternden Kaminfeuer in der kleinen Bibliothek, auf seinem Schoß die ungeöffnete Heilige Schrift, und blickte scheinbar gedankenverloren in unsichtbare Ferne. In Wahrheit jedoch befanden sich seine Gedanken und Gefühle in hellem Aufruhr, und das schon seit Tagen!
    »Wenn die Gefühle schneller als das Licht werden und die Gedanken langsamer als die Ewigkeit, dann sollte ein kluger Mann vor sich selbst auf der Hut sein!«
    Suntide fuhr bei diesen Worten erschreckt auf und blickte überrascht in die prüfenden Augen Meyrinks, dessen Eintreten er aufgrund der Intensität seines inneren Dialoges vollständig überhört hatte. Hieronymus grinste ihn (wie immer) spitzbübisch an und fuhr mit mahnend erhobenem Zeigefinger fort: »Dann ist er nämlich meistens nur entweder sturzbetrunken oder bis über beide Ohren verliebt in jemand oder etwas oder gar sich selbst, was im Grunde das Selbe ist!«
    Telly starrte ihn aus riesigen Pupillen nur stumm und verständnislos an. Hieronymus sprach unbekümmert weiter und würzte seine Worte wie üblich mit dem ihm eigenen Sarkasmus: »Es ist nicht zu übersehen, mein lieber Bruder, dass es um Ihre Nachtruhe zur Zeit wohl nicht gerade zum Besten bestellt ist. Ich kann mir natürlich lebhaft vorstellen, dass so eine Begegnung mit dem lieben Gott keine besonders leicht verdauliche Angelegenheit ist! Bei Gott, Sie müssen mir unbedingt davon erzählen! Ich bin ein entsetzlich neugieriger, alter Mann, wie ich leider gestehen muss! Aber lassen Sie mich zuerst ein wenig raten. War es das Evangelium von Matthäus? Oder vielleicht das Lukas-Evangelium? Welchen Köder könnte der listige Gott der Christenheit wohl für einen stolzen Prediger namens Telly ›The Truth‹ Suntide gewählt haben, damit er freudig anbeißt? Ah, ich hab’s! Ich könnte wetten, es war die Offenbarung des Johannes, stimmt’s? Zweifellos eine sehr beeindruckende Szene, wenn ich mich recht entsinne. All die schwebenden Leuchter und Sterne und mittendrin dieser glühende Kerl mit den Messingfüßen und seinem Laserschwert im Mund, das ist zunächst schon etwas beängstigend, nicht wahr? Aber die Entschädigung für diese Angst folgt ihr ja auf dem Fuße, zumindest steht es so geschrieben. Der Ritterschlag zum göttlichen Propheten! Das muss doch ein gewaltiger Kick sein für das Ego eines Predigers, oder irre ich mich?«
    Telly durchlebte gleichzeitig in schneller Abfolge ein Wechselbad der Gefühle, das ihn vorübergehend zur Sprachlosigkeit verurteilte und sich deshalb nur am

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