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Das Nazaret-Projekt

Das Nazaret-Projekt

Titel: Das Nazaret-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Hanf
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Glaube an Gottes Allmacht nicht stark genug, um ein Wunder zu akzeptieren, wenn ich so sagen darf? Ihren letzten Worten glaube ich allerdings zu entnehmen, dass Sie keinesfalls ein so überzeugter Häretiker sind, wie Sie immer zu sein vorgeben! Und wenn doch, warum um Himmels Willen sind Sie dann überhaupt hier?«
    Hieronymus grinste vergnügt und nahm in dem Sessel gegenüber Telly umständlich Platz.
    »Ich war schon neugierig, wann Sie mich endlich danach fragen würden. Nun, um ehrlich zu sein, die letzte Ihrer Fragen kann ich leider auch nicht zufriedenstellend beantworten, aber ich habe da so meine Vermutungen. Dazu müssen Sie wissen, dass ich – oder besser meine Person – in Europa und den USA einen gewissermaßen anerkannten Status als Weisheitslehrer oder spiritueller Führer erlangt hat, um den ich mich allerdings nie auch nur im Geringsten bemüht habe und der für mich eher eine auferlegte Bürde als das stolze Ergebnis meines Ehrgeizes ist.
    Nun, ein Lehrer kann seine Funktion natürlich nur erfüllen, wenn es auch Schüler gibt, und die Vorsehung wollte es, dass vor vielen Jahren ein ziemlich selbstverliebter Mensch namens Nathan Brock in dem esoterischen Zentrum auftauchte, das ich damals leitete, und der mich vehement darum bat, mein Schüler werden zu dürfen.
    Das ist für beide Teile aber, wie sich leider erst später herausstellte, die reinste Zeitverschwendung gewesen. Ich hatte nur die traurige Einsicht gewonnen, dass es jede Menge Schüler gibt, die sich um keinen Preis der Welt von ihren liebgewonnenen spirituellen Konzepten trennen möchten und unfähig sind, Urteile, Meinungen oder überhaupt Irgendetwas wirklich loszulassen und deshalb niemals in der Lage sein werden, die Wahrheit auch nur in Ansätzen zu verstehen. Nathan hingegen hatte offenbar die unerschütterliche Überzeugung gewonnen, dass es für ihn nichts Wichtiges mehr zu lernen gäbe, was er nicht ohnehin schon wüsste! Im Grunde war er wie so viele andere Schüler auch nur gekommen, um sich seine Konzepte und Vorurteile bestätigen zu lassen – nämlich seine Überzeugung, sowohl die Fähigkeiten als auch die Berufung zu besitzen, selbst ein spiritueller Lehrer und Führer zu werden. Das ist übrigens heutzutage leider ein weit verbreitetes Übel geworden, vor allem in Amerika!«
    Die winzige Pause eines Atemzugs und ein vielsagender Blick Meyrinks genügten, um Telly sofort einige Zentimeter tiefer in seinen Sessel zu versenken. Hieronymus fuhr fort: »Um es kurz zu halten; Nathan glaubt vermutlich einerseits, mir in irgendeiner Weise etwas schuldig zu sein und sei es auch nur den unzweifelhaften Beweis seiner einzigartigen, persönlichen Wichtigkeit. Andererseits ahnt er instinktiv, so nehme ich an, dass er sich nun auf eine Sache einlässt, die möglicherweise nicht nur seinen Horizont gewaltig übersteigt, sondern den trefflichen Großmeister Brock ganz schnell zum unseligen Zauberlehrling degradieren könnte. Er will deshalb quasi auf “Nummer Sicher“ gehen für den Fall, dass er – wenn ich so salopp sagen darf – handfeste spirituelle Hilfe benötigen würde, denn er weiß, dass ich über gewisse Fähigkeiten verfüge, die nicht sehr vielen Menschen gegeben werden. Mit diesen Fähigkeiten verhält es sich übrigens genauso, wie mit dem Streben nach wahrem Wissen – dieses Wissen kann nicht erworben werden, sondern es wird gegeben, wenn der Mensch und die Zeit dafür reif sind. Es gibt keinerlei Recht auf dieses Wissen, und es erwerben zu wollen bedeutet unweigerlich, in den unsichtbaren Fallstricken seines niederen Selbst gefangen zu bleiben. Das Verlangen danach entspringt einzig und allein dem Neid, dessen Zwillingsschwester die Gier ist. Es gibt nämlich neben der intellektuellen oder weltlichen auch eine spirituelle Gier.
    Aber um die Beantwortung Ihrer letzten Frage abzuschließen; wenn Sie nun zu diesen Erklärungen noch fünfzig Prozent gehörige Neugierde meinerseits dazu rechnen, dann haben Sie schon mal eine hundertprozentige Antwort auf ihre Frage, warum ich überhaupt hier bin!«
    Um sich seine alten Knochen zu wärmen, rückte Hieronymus ein wenig näher an den offenen Kamin heran und warf ein zusätzliches Scheit Buchenholz ins Feuer.
    »Was nun allerdings meine Audienz bei der vermeintlich heiligen Jungfrau betrifft, so muss ich Sie enttäuschen, denn ich wurde sehr wohl von ihr empfangen. Es war auch keineswegs so, dass ich nicht meine ganz persönliche Offenbarung erlebt hätte, so wie jeder

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