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Das Nazaret-Projekt

Das Nazaret-Projekt

Titel: Das Nazaret-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Hanf
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Illusion humanistischen Denkens, das den Menschen voll Eitelkeit in den Mittelpunkt der Schöpfung stellt. In der Natur und dem Kosmos existiert so etwas wie Moral überhaupt nicht, weil das in Anbetracht des ›Einzigallumfassenden Bewusstseins‹ auch gar keinen Sinn machen würde!«
    »Welchen Sinn macht denn dann in diesem Zusammenhang überhaupt ein Mord?«
    »Natürlich keinen. Er ist nur eine weitere traurige Manifestation mangelnden Wissens!«
    »Also können wir letztlich überhaupt nichts tun! Da drängt sich mir allerdings eine grundlegende Frage auf. Wenn alles, wie Sie behaupten, ein einziges, allumfassendes Sein ist, wer sind dann wir? Gibt es mich überhaupt?«
    Hieronymus strahlte ihn unschuldig an. »In der Tat, eigentlich gibt es ›Dich‹ gar nicht! Mit dieser Einsicht zäumen Sie zwar zu meinem Erstaunen das Pferd von hinten auf, aber warum nicht einmal andersherum? Das ›Ich‹ ist wirklich nicht mehr als eine höchst zählebige und trickreiche Illusion, deren Aufrechterhaltung vermutlich die wahre Erbsünde der Menschheit ist. Adam und Eva haben gar nicht von den verbotenen Früchten des Baums der Erkenntnis genascht, sondern sie haben diese einfach ohne sie zu essen weggeworfen! Nur wenn das ›Ich‹ vollständig zur Seite tritt, kann das in unserem Innern wirksam werden, was in meiner Tradition die dritte oder auch versöhnende Kraft genannt wird!«
    »Gestatten Sie mir noch eine letzte, egoistische Frage, Bruder Hieronymus. Unter welchem Begriff würden Sie meine bisherige Gottsuche denn einordnen? Sind all meine Bemühungen und Gebete demnach in Ihren Augen völlig nutzlos gewesen?«
    »Ja, das waren sie, um ehrlich zu sein. All Ihre Gebete entstanden aus einer Dualität heraus, die es gar nicht gibt, denn Sie beten VON sich ZU einem Gott irgendwo da draußen, nicht wahr? Er ist aber nicht da draußen, sondern in Ihnen, sobald Sie das zulassen! Es tut mir leid, Ihnen sagen zu müssen, dass ich Ihre bisherigen Bemühungen unter dem wenig schmeichelhaften Begriff ›spiritueller Materialismus‹ zusammenfassen würde!«
    Reverend Telly Suntide strich sich nachdenklich mit dem Zeigefinger über den Nasenrücken und starrte eine Weile ins Kaminfeuer.
    »Ich glaube, ich beginne ganz langsam zu verstehen. Verstehen ist vielleicht etwas zuviel gesagt, es ist vorerst nicht mehr als eine leise Ahnung dessen, was Sie mir zu vermitteln versuchen. Wenn ich ganz ehrlich sein soll – ich verstehe mittlerweile im Grunde überhaupt nichts mehr, weder mich selbst, noch Sie, Bruder Hieronymus.«
    Meyrink lächelte wieder mit seinem Spitzbubengesicht und rieb sich erfreut die Hände. »Das ist ein außergewöhnlich gutes Zeichen, mein lieber Reverend, und eine wundervolle Chance! Vergessen Sie niemals, es ist Ihr Verstand, der die Wirklichkeit tötet! Dummerweise lässt sich der Verstand nur durch seine eigene Mithilfe entmachten, auch wenn das in Ihren Ohren eher wie ein Paradoxon klingen mag. Verwirrung kann auf dem spirituellen Weg ein höchst nutzbringender Zustand sein, denn er schafft Platz für neue Möglichkeiten!«
    »Dann gibt es also doch so etwas wie einen spirituellen Weg?«
    Hieronymus kicherte jetzt wie ein alter Hexenmeister. »Nein, so etwas gibt es nicht, weil es nämlich nichts zu erreichen gibt! Der Weg ist das einzige Ziel, wie die Buddhisten nicht ohne Grund sagen. Spiritueller Fortschritt ist folglich eine reine Illusion, aber das wäre jetzt ein bisschen viel verlangt, wenn ich Ihr Verständnis für meine letzten Worte voraussetzen würde! Lassen Sie es einfach einmal so dahingestellt sein!«
    »Etwas anderes bleibt mir auch gar nicht übrig«, seufzte Telly. »Was ist übrigens mit dieser Versammlung heute Abend, zu der uns Herr Brock aufgefordert hat? Werden Sie dort erscheinen, Bruder Hieronymus? Ich muss gestehen, dass ich mich nach unserer Unterhaltung nun beinahe davor fürchte, dorthin zu gehen und mich wieder diesem schamlosen Dieb meiner innersten Gedanken auszuliefern! Aber was geschieht mit mir, wenn ich fern bleibe? Könnte das nicht sogar mein Todesurteil bedeuten? Was soll ich nur tun?«
    Hieronymus feixte ihn an. »Oh, Sie werden selbstverständlich dort hingehen und Sie werden eine Menge Spaß haben, das verspreche ich Ihnen. Sie brauchen jetzt noch keine Angst zu haben! Vergessen Sie für heute Abend einfach alles, was ich Ihnen soeben gesagt habe, alles bis auf Eines: Halten Sie die Luft an, wenn es Ihnen zu viel wird. So können Sie unauffällig die Kontrolle

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