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Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Kleider. Ihr stiegen die Tränen in die Augen, und endlich ließ sie einen Schrei der Verzweiflung heraus, bevor sie in eine vollständige, tiefe Depression hinüberglitt.
    Ashley warf sich aufs Bett, rollte sich wie ein Fötus zusammen und schluchzte los. Ganze Sturzbäche kamen aus ihr heraus, nachdem alle Selbstbeherrschung durchbrochen war. Ihr Körper schüttelte und krümmte sich vor ohnmächtiger Wut, undsie keuchte, als sei ihr die Frustration in jede Faser gedrungen und breitete sich wie ein Virus aus.
    Als keine Tränen mehr kamen, drehte sie sich auf den Rücken und starrte an die Decke, während sie den Kissenfetzen fest umklammerte. Sie holte tief Luft. Ihr war klar, dass Tränen ihr Problem nicht lösen würden, dennoch fühlte sie sich ein bisschen besser.
    Als sie merkte, dass ihr Herzschlag sich normalisiert hatte, richtete sie sich auf.
    »Also«, sagte sie laut. »Reiß dich zusammen, Mädel.«
    Sie blickte zu dem zerbrochenen Handy hinüber und kam zu dem Schluss, dass ihr Wutanfall ein Segen war. Sie musste sich ein neues Handy besorgen und eine neue Nummer dazu. Eine, tröstete sie sich, die Michael O’Connell nicht kannte. Sie blickte zum Festnetztelefon auf ihrem Schreibtisch. »Das meldest du ab«, befahl sie sich.
    Neben ihrem Telefon stand ihr Laptop. »Na schön«, erklärte sie in dem Ton, in dem man mit einem kleinen Kind sprach, »Wechsle zu einem anderen Provider. Eröffne ein neues E-Mail-Account. Lösche sämtliche Daten zum Online-Banking. Richte alles neu ein.«
    Dann sah sie sich in der Wohnung um.
    »Wenn du umziehen musst, dann musst du eben umziehen.«
    Sie seufzte einmal tief. Sie konnte morgen früh ins Studentensekretariat marschieren und ihre Zeugnisse korrigieren lassen. Sie wusste, dass das ziemlich aufwendig werden würde, doch sie hatte ihre Abschlussdokumente auch auf Papier, und egal, welche Gemeinheiten Michael O’Connell ihr angetan hatte, fand sie bestimmt einen Weg, da mit heiler Haut herauszukommen. Möglicherweise war bei ihren derzeitigen Seminaren und ihren angeblichen Fehlzeiten nichts zu machen, doch das war nur ein Kurs, zweifellos ein Rückschlag, aber kein fataler.
    Die Kündigung stellte ein ernsteres Problem dar. Sie musste davon ausgehen, dass der stellvertretende Direktor ihr auch in Zukunft Steine in den Weg legen würde. Er war ein starrköpfiger Stümper und ein verkappter Sexist, und sie hasste den Gedanken, ihm noch einmal in die Quere zu kommen. Sie beschloss, sich an einen ihrer ehemaligen Professoren zu wenden und diesen zu bitten, dem Mann einen Brief zu schreiben und ihm darin zu erklären, dass er sich in seinem Urteil über sie geirrt hatte und dass ihr Zeugnis dem Rechnung tragen solle. Sie war relativ zuversichtlich, dass sie jemanden dazu bringen konnte, wenn sie ihm die Situation erklärte. Selbst wenn es ihr den Job nicht zurückbrachte, so konnte es zumindest den Schaden begrenzen.
    Schließlich, sagte sie sich, gab es nicht nur im Museum Jobs. Es musste noch andere geben, voller Kunst und Farben, die ihrem Wesen und ihren Zukunftsplänen entsprachen. Je mehr Ashley plante, desto besser fühlte sie sich. Je mehr Entscheidungen sie traf, desto weniger hilflos kam sie sich vor, desto stärker und entschlossener fühlte sie sich. Nach einer Weile stand sie auf, schüttelte sich von Kopf bis Fuß und ging ins Bad.
    Sie starrte ihr Spiegelbild mit den geschwollenen, roten Augen an. »Also«, wies sie sich an, während sie das Waschbecken mit dampfend heißem Wasser füllte und anfing, sich das Gesicht zu waschen, »keine Tränen mehr wegen dieses verdammten Dreckskerls.«
    Sie würde sich auch keine Angst mehr einjagen lassen, nicht mehr die Zähne zusammenbeißen und sich nervös machen lassen. Sie würde ihr Leben wieder in den Griff bekommen, ob es Michael O’Connell passte oder nicht.
    Sie hatte auf einmal Hunger, und nachdem sie so viel von ihrer Traurigkeit abgewaschen hatte, wie sie konnte, ging sie in die Küche, fand einen Halbliterbecher Ben-and-Jerry’s-Phish-Food-Eiscremeim Tiefkühlfach und löffelte eine großzügige Portion, um sich von dem süßen Geschmack die Stimmung aufhellen zu lassen, bevor sie an das verbliebene Telefon ging und ihren Vater anrief. Als sie, den Becher in der Hand, durchs Zimmer ging, stoppte sie am Fenster und starrte mit einem Anflug von Unsicherheit in die Nacht.
Hör auf, den Schatten abzusuchen
. Ashley machte kehrt, schnappte sich das Festnetztelefon und tippte die Nummer ein, ohne zu

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