Das Paradies
Kinder magst. Wir haben einfach nie darüber gesprochen.« Er ließ sie los und trat ein paar Schritte zurück. »Wirst du deine Arbeit aufgeben müssen? Wie sollen wir dann die Miete bezahlen?« Das Examen und das Praktikum hatten viel Geld gekostet, und Amy mußte das Haus in England verkaufen. Sie lebte seit sieben Jahren mit einem Mann zusammen, der keinen Job hatte. Mit dem, was sie in der Klinik verdiente, kamen sie gerade über die Runden. Die Schwangerschaft bedrohte ihre finanzielle Sicherheit. Amy fühlte sich plötzlich in dieser »gleichberechtigen« Beziehung überhaupt nicht frei und ungebunden. Aber sie bemühte sich um einen freundlichen Ton, als sie sagte: »Nun bist du an der Reihe, Geld zu verdienen. Du wirst in Zukunft für eine Familie sorgen müssen.«
Er trat ans Fenster, starrte hinaus in den Regen und trank sein Bier. »Also, Amy, das kann ich nicht. Ich meine, ich muß erst auf eigenen Beinen stehen, ehe ich an Kinder denken kann. Ich weiß nicht einmal, wer ich bin oder was ich will.«
»Du bist siebenunddreißig.«
Er lachte. »Komisch, so alt war mein Vater, als er meiner Mutter ein Kind gemacht hat. Was für ein Zufall, was?« Er drehte sich um und sagte ernst. »Amy, um ehrlich zu sein, ich will nicht, daß ein Kind so aufwächst wie ich … in Internaten und ohne seine Eltern zu Gesicht zu bekommen.«
Amy schloß die Augen. Ein Ägypter hätte anders auf ihre Nachricht reagiert. Auch wenn er die Frau nicht liebte, wäre ihm das Kind wichtig gewesen. »Was schlägst du also vor?« fragte sie.
Er drehte die leere Bierdose in der Hand und warf sie schließlich in den Abfalleimer.
Amy ließ den Kopf sinken. »Und was für eine Neuigkeit hast du?«
»Meine Freunde da draußen und ich, wir machen eine Expedition nach Kenia. Roger will über die Massai schreiben …«
»Ach«, sagte Amy. Im letzten Jahr war es Australien gewesen und im Jahr davor Feuerland. Sie waren aber nie gefahren. Vielleicht würden sie es in diesem Jahr schaffen. Ihr war es gleichgültig.
»Ich muß in die Klinik«, sagte sie. »Wo sind die Wagenschlüssel?«
»Ich habe den Wagen heute morgen zur Inspektion gebracht. Das habe ich dir doch gesagt.«
»Ach ja, ich erinnere mich. Er sollte um fünf fertig sein. Hast du ihn aus der Werkstatt geholt?«
»Ich dachte, das würdest du machen, wie immer – ich bringe ihn in die Werkstatt und du holst ihn ab.«
Ja, dachte sie, die absolute Gleichberechtigung. Fair bleibt fair. »Also gut, dann fahre ich eben mit dem Bus.«
»Amy«, sagte er verlegen und trat von einem Bein auf das andere. »Ich weiß einfach nicht, was ich dazu sagen soll …«
Sie stand auf und ging zur Tür. »Wir reden später darüber. Ich muß zum Bus, damit ich rechtzeitig in der Werkstatt bin, bevor sie schließen.«
Als Amy den Pacific Coast Highway erreicht hatte, klatschte der Regen gegen die Windschutzscheibe. Sie dachte über Greg nach. Sie hatte sich darum bemüht, seine Oberfläche zu durchdringen und zu tiefen Schichten vorzustoßen. Zu ihrer Überraschung mußte sie sich eingestehen, daß da nichts war. Anfangs mochte sie seine lässige Freundlichkeit, unter der jedoch nichts anderes zum Vorschein kam.
Sie hatte sich ihm ganz überlassen, auch beim Sex, aber bei ihm war alles zu Mechanismen erstarrt, aus denen er sich nicht befreien konnte oder wollte – sie wußte es nicht.
Amy hatte Gregs Mutter kennengelernt. Bei einer Zwischenlandung auf dem Flug von Höhlenausgrabungen in Indien zu Höhlenausgrabungen in Australien hatte Dr. Mary van Kerk sie besucht. Amy stand vor einer Frau, die so hart war wie der Felsen, den sie bearbeitete. Zwischen Mutter und Sohn gab es keine Berührungspunkte. Sie waren sich so fremd, als seien sie nicht miteinander verwandt.
Amy verglich Greg unwillkürlich mit ägyptischen Männern. Sie dachte an ihre Lebenslust, ihre Spontaneität und den ausgelassenen Humor. Sie galten als leidenschaftliche und zärtliche Liebhaber, die, wenn sie liebten, einer Frau die Welt zu Füßen legten. In Ägypten weinten die Männer in aller Offenheit, sie küßten sich im Überschwang der Gefühle und sie lachten aus vollem Hals. Pflicht und Ehre forderten von ihnen, für ein Kind zu sorgen, und sie fühlten sich bis zur Selbstaufopferung für ihre Familie verantwortlich.
Amy legte die Hand auf den Leib und staunte. Der erste Schreck war überwunden. Zu ihrer Überraschung stellte sie fest, daß sie glücklich war. Schon lange, genaugenommen seit ihrer
Weitere Kostenlose Bücher