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Das Paradies

Das Paradies

Titel: Das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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ersten Schwangerschaft, hatte sie sich nicht mehr so gut gefühlt. Vielleicht wird es diesmal ein Mädchen, dachte Amy und überließ sich ihrer Freude. Ich werde sie Ajescha nennen, dachte sie, nach der Lieblingsfrau des Propheten. Wenn Greg nach Kenia geht, werde ich einen Weg finden, meine Tochter allein großzuziehen.
    Sie wollte gerade das Autoradio einschalten, als sie ein dumpfes Geräusch hörte. Im nächsten Augenblick scherte der Wagen nach rechts aus und ließ sich kaum noch steuern. Sie trat auf die Bremse und ließ ihn auf der Standspur ausrollen. Da sie keinen Regenschirm hatte, hielt sie sich eine Zeitschrift über den Kopf und stieg aus. Das rechte Vorderrad war platt.
    Ärgerlich trat sie gegen den Reifen und blickte hilfesuchend auf den Highway. Bei dem strömenden Regen hielt niemand an. Wenn sie noch rechtzeitig in der Klinik sein wollte, mußte sie das Rad selbst wechseln.
    Während sie sich mit dem Wagenheber abmühte, wurde sie wütend. Das Ding funktionierte nicht. Der Hebel bewegte sich nicht. Sie drückte dagegen, sie trat darauf, aber es half nichts. In ihrem Zorn begann sie, auf Greg zu schimpfen und dann auf Hassan – Männer, die nur an ihr Vergnügen dachten und dazu eine Frau rücksichtslos mißbrauchten. Tränen liefen ihr über das Gesicht und mischten sich mit dem Regen.
    Wütend sprang sie schließlich auf den Wagenheber, sie rutschte ab und fiel rückwärts auf den Asphalt. »
Allah
!« rief sie laut, als ein stechender Schmerz sie durchzuckte.
     
    Amy hatte lange auf das Fenster ihres Krankenzimmers gestarrt. Draußen war es dunkel. Im Glas spiegelte sich das Licht der Glühbirne über ihrem Bett und der gedämpften Lampen im Flur, denn die Zimmertür stand offen.
    Sie war rechtzeitig in das Krankenhaus gekommen, aber als Patientin im Krankenwagen. Ein Motorradfahrer hatte gehalten, um ihr zu helfen. Der Mann hatte an der nächsten Notrufsäule die Polizei benachrichtigt. Man mußte Amy sofort operieren, und sie hatte das Kind verloren. Als sie aus der Narkose erwachte, hatte sie viel Zeit zum Nachdenken.
    Amy war sich darüber klargeworden, daß neben den blonden Haaren, den blauen Augen und der kultivierten englischen Aussprache – das war wie eine Tarnung, die ihr helfen sollte, mit der Vergangenheit endgültig zu brechen – eine Seele und eine Kraft in ihr waren, die Jahrhunderte islamischer Kultur geprägt hatten. Trotz der Bemühungen ihrer englischen Mutter war Khadijas Erbe stärker; und auch wenn die Gesetze des Islam sie zu dem Exil verurteilt hatten, in ihrem Herzen gehörte sie in den Osten und nicht in den Westen.
    Sie lauschte auf den Regen, der gegen das Fenster schlug, und wartete auf das Heilen der Wunden. Wie konnte eine Tote so starke Schmerzen haben? Gedanken, die bis dahin eher unbestimmt geblieben waren, formten sich zu klaren Einsichten: Männer und Frauen haben unterschiedliche Rollen. Sie sollten gleichermaßen respektiert und geachtet sein. Aber sie haben unterschiedliche Pflichten im Leben. Frauen müssen sich um die Familie kümmern und um das Zuhause. Männer arbeiten, verdienen den Lebensunterhalt und beschützen die Familie. Daraus zog Amy die Schlußfolgerung: Feminismus bedeutet Verantwortung übernehmen – für beide Geschlechter.
    Amy wollte nicht wie ein Mann sein oder das Leben eines Mannes führen. Sie wollte eine Mutter sein, die nährt und pflegt. Als Ärztin heilte sie Patienten, als Frau und Mutter brauchte sie einen Mann, der sie versorgte.
    Als Greg mit Blumen erschien und mit schlechtem Gewissen an ihrem Bett stand, war Amy nicht mehr wütend auf ihn. Greg war nur ein Fremder in ihrem Leben, mehr nicht. Liebe konnte es zwischen ihnen nicht geben.
    Er saß lange schweigend an ihrem Bett und brachte kein Wort heraus. Schließlich murmelte er: »Es tut mir leid, daß du das Kind verloren hast.«
    »Es sollte nicht sein. Es ist Gottes Wille.« Sie tröstete sich mit dem Wissen, daß alles vom Schicksal vorherbestimmt war, und plötzlich erinnerte sie sich: Das Wort
Islam
bedeutete
Sich überlassen.
Sie überließ sich dem Plan Gottes, und das brachte ihr Frieden.
    Greg kaute an den Fingernägeln. »Du hattest das mit dem Baby noch nicht lange gewußt.« Er sah sie flehend an. »Ich meine, wir hatten noch keine Babysachen gekauft oder so was. Wir hatten nicht einmal Pläne gemacht …«
    Tränen standen ihm in den Augen. Sie spürte seine Verwirrung. Er fühlte sich schuldig und wollte ihre Verzeihung, ohne jedoch recht zu wissen,

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