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Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tibor Rode
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und flüsterte: »Selbst er glaubt, dass Orffyreus ein Scharlatan war!«
    »Lass uns noch die Sammlung abwarten«, entgegnete ich. Ein unbestimmtes Gefühl sagte mir, dass wir nicht umsonst hergekommen waren. Ich schaute mich im Wohnzimmer um. Es war liebevoll eingerichtet, überall standen kleine Figuren aus Porzellan herum.
    Kurze Zeit später kehrte der Antiquitätenhändler gut gelaunt zurück, griff zu seiner Pfeife und ließ sich wieder in dem Sessel nieder. »Verzeihen Sie, aber im Alter wird vieles schwächer. Um zu Ihrer Frage zurückzukommen, warum ich alles über den Knaben in meiner Toreinfahrt sammle: Ich bin Antiquitätenhändler und Antiquar. Als ich dieses Haus kaufte und das Porträt des Mannes vorfand, wollte ich wissen, wer mich von dort oben täglich grüßte. Ich suchte nach alten Büchern und Registern, in denen er erwähnt wurde, und es entwickelte sich zu einem Hobby.« Er zog genüsslich an seiner Pfeife. Dann blies er den Rauch aus, schaute ihm mit leicht erhobenem Kopf hinterher und wartete, bis die Schwaden sich auflösten, bevor er weitersprach. »Nahezu jeder Antiquar hat seine Passion. Bei dem einen sind es Tagebuchberichte über die Weltkriege, bei dem anderen der Devotionalienhandel. Ich entwickelte eben eine Vorliebe für einen Schwindler.«
    Julia bedachte mich mit einem Blick, der so viel bedeutete wie: »Siehst du, viel Lärm um nichts«.
    »Es war überaus leicht, an Dokumente über Orffyreus zu gelangen. Er lebte im Zeitalter der Aufklärung. Nahezu jeder, der einen Federkiel halten konnte, sah sich seinerzeit veranlasst, seine Beobachtungen und Erlebnisse niederzuschreiben. Auch Orffyreus selbst schrieb wie der Teufel.« Scheffler lachte laut, erhob sich und forderte uns mit einer Handbewegung auf, ihm zu folgen.
    Gemächlichen Schrittes führte er uns hinaus, über den Hof und durch die unverschlossene Seitentür in das Antiquitätengeschäft. In dem Laden lagerten Dutzende von antiken Möbeln, und von der Decke hingen Kronleuchter und alte Lampen herab. Während ich mich vorsehen musste, nicht gegen Möbelkanten oder Lampenschirme zu stoßen, steuerte Scheffler mit sicheren Schritten durch das Sortiment. Im hinteren Teil verbreiterte sich plötzlich die Ladenfläche, und die Möbel wichen Stapeln von alten Büchern und Zeitschriften. Julias Blick wanderte umher, und ich sah ein Leuchten in ihren Augen. Schließlich wandte sich der Antiquitätenhändler unversehens nach rechts, und wir standen plötzlich vor einer schmucklosen Stahltür. Aus seiner Hosentasche holte er einen Bund mit Schlüsseln hervor, wählte einen davon aus und schloss die Tür auf. Er öffnete sie und betätigte einen alten Lichtschalter. Dann trat er einen Schritt zur Seite und deutete auf eine Holztreppe, die steil nach unten führte. Im Keller war ein schwacher Lichtschein zu erkennen; außerdem zog ein modriger Geruch zu uns hinauf.
    »Darf ich bitten, die Herrschaften?«, sagte Scheffler mit einem breiten Grinsen.
    »Wir haben sie!«, rief Wilson, als er in das Hotelzimmer stürmte. »London hat uns soeben informiert, dass es eine Meldung von einem unserer Human Sensors aus einer kleinen Stadt im Norden von Hessen gegeben hat. Hier habt ihr die Adresse. Macht euch sofort auf den Weg! Die Cessna wartet auf euch. Cathy hat einen Mietwagen bestellt.«
    »Was sollen wir nun mit ihnen machen?«, fragte Dimitrij, während er sich vom Bett erhob und sein Hemd in den Hosenbund stopfte.
    »Sie sind freigegeben worden«, antwortete Wilson. »Nehmt alles an euch, was sie bei sich haben. Wir reinigen schon einmal die Wohnungen.«
    »Wir melden uns«, sagte Sergeij und griff nach seinem Halfter. Er wandte sich Dimitrij zu. »Vergiss die Knebel nicht.«

40
    Merseburg, 1715
    Orffyreus lag seit acht Tagen in Ketten.
    Nach seiner Ankunft in dem als Gefängnis genutzten Garnisonsgebäude hatte er, wie es bei Neuankömmlingen üblich war, noch im Innenhof die Fäuste und Tritte seiner Bewacher zu spüren bekommen. Dabei hatten sie ihn übel zugerichtet. Er war in eine der Einzelzellen im Keller gebracht und an Armen und Füßen mit Ketten gefesselt worden. Kein Licht erleuchtete den Gang, von dem die Zellen nur durch Gitterstäbe abgetrennt waren. Hier unten war es besonders kühl und feucht. Betraten die Wächter den Trakt, trugen sie eine Lampe vor sich her, die nur wenig Licht spendete.
    Orffyreus hatte in der ersten Nacht Blut gespuckt. Seine Rippen schmerzten, und jeder Atemzug tat weh. Der Kopf dröhnte, und

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