Das Rätsel der Templer - Roman
darauf.
|367| »Ich muss kurz weg«, murmelte sie. »Die Medizin holen.«
Gero nickte nur stumm.
»Warte hier auf mich.«
Langsam wandte er sich um und funkelte sie aus schmalen Lidern an. »Wo sollte ich hingehen?«, fragte er gereizt.
Wortlos verließ sie das Haus.
Wenig später war Matthäus wieder eingeschlafen. Gedankenverloren betrachtete Gero die roten Flecken auf dem ansonsten bleichen
Gesicht.
»Verdammt«, murmelte er. Nun bekam der Junge auch noch die Hitze. Geros ältere Schwester war an der Hitze gestorben. Ein elendes
Gefühl von Ohnmacht und Trauer übermannte ihn. Still begann er zu beten.
Er war sich nicht darüber im Klaren, was es war, das sein Herz höher schlagen ließ, als Hannah einige Zeit später zurückkehrte
und mit einem Becher in der Hand im Zimmer auftauchte.
»Was hast du da?«, fragte er, als sie sich anschickte, Matthäus ihre Arznei zu verabreichen.
»Möchtest du mal riechen?« Sie hielt ihm das rosafarbene Gebräu hin, ohne seine Antwort abzuwarten. Es roch schwach nach Himbeeren
und überraschenderweise nach etwas anderem, das ihn unangenehm an eine schlimme Zeit in seinem Leben erinnerte.
»Schimmeltrank«, sagte er und rümpfte die Nase.
»Was?« Hannah sah ihn erstaunt an.
»Es riecht wie die Arznei unseres Einsiedlers. Er hat aus schimmligen Gespinsten giftige Säfte zubereitet, die den Eiter vertreiben
sollten.«
»Du willst mir nicht erzählen, dass es bereits Penicillin zu eurer Zeit gab? Soweit ich weiß, wurde dieser Wirkstoff erst
Mitte des letzten Jahrhunderts gefunden.«
»Nenne es, wie du willst.« Angeekelt blickte Gero auf den Saft. »Ich weiß nur, dass es scheußlich schmeckt. Ich habe mich
immer erbrechen müssen, wenn man es mir eingetrichtert hat.«
Er konnte sich noch gut erinnern, dass er mit dem üblen Gebräu das erste Mal in Zypern in Berührung gekommen war, als seine
Schulter vereitert gewesen war. Damals hatte er darum gebettelt, wenigstens ein |368| Bier oder einen roten Wein hinterher trinken zu dürfen, doch das war ihm verboten worden. Lediglich gesüßtes Zitronenwasser
hatte er zu sich nehmen dürfen.
Voller Mitgefühl beobachtete er, wie Matthäus zu sich kam und Hannah ihm den Becher an die Lippen setzte.
»Das wird schon«, sagte sie und strich dem Jungen sanft über die Stirn, nachdem er die Augen wieder geschlossen hatte. Gero
hätte gerne die gleiche Zuversicht an den Tag gelegt.
»Kommst du mit nach unten?«, fragte Hannah.
»Nein, ich möchte bei dem Jungen bleiben«, erwiderte er leise.
»Gut«, antwortete sie. »Dann leiste ich dir Gesellschaft. Wenn du nichts dagegen hast?«
Er schüttelte rasch den Kopf und empfand gleichzeitig eine tiefe Dankbarkeit, dass sie ihn nicht alleine ließ.
Kurze Zeit später erschien sie mit zwei Gläsern und einer Flasche Merlot unter dem Arm. In der einen Hand hielt sie einen
weiteren Teller mit belegten Brötchen. Sie stellte den Teller auf dem Fußboden ab und sah ihn aufmunternd an.
»Du solltest etwas essen, sonst wirst du auch noch krank.«
Demonstrativ ließ sie sich auf dem Boden nieder, kreuzte die Beine zum Schneidersitz und lehnte sich zurück an die Wand.
»Willst du dich zu mir setzen?«, fragte sie.
Seufzend folgt er ihrer Auforderung. Schulter an Schulter saßen sie da.
Mit einem unsicheren Lächeln nahm er eines der filigranen Gläser entgegen und beobachtete fasziniert, wie der schimmernde
Rotwein beim Eingießen einen tanzenden Strudel erzeugte. Erschöpft schloss er die Augen und genoss die Wärme im Rücken. Er
wandte sich halb um und schaute auf die Quelle des Wohlbefindens, einen flachen Kasten, der an die Wand montiert war. In der
Burg seiner Eltern hatte es einen grünen Kachelofen gegeben, der bis unter die Decke ragte und ähnlich wärmte, wenn man sich
in der kalten Jahreszeit an ihn lehnte.
»Ist das ein Ofen?«
»Ja, so etwas ähnliches«, antwortete Hannah und goss sich selbst auch ein Glas Roten ein. »Im Keller dieses Hauses ist ein
Kessel, der eine bestimmte Menge Wasser erhitzt. Es wird durch Rohrleitungen, |369| die im ganzen Haus verlegt sind, in solche metallischen Behälter gepumpt, die sich in jedem Zimmer befinden.«
»Ich glaube, so was gab es bei den Römern, habe ich recht?« Er sah sie fragend an, während er von einem Käsebrötchen abbiss.
Hannah nickte verwundert. »Erzähl mir etwas über deine Familie.«
Gero dachte einen Moment nach, während sein Blick auf ihrem kastanienfarbenen Haar
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