Das Rätsel
mehr Anträge von Kids aus dem Einundfünfzigsten Staat. Gute Kinder. Gute Studenten. Aber, Mann, ich sag’ Ihnen, die gehen in den ersten Wochen hier auf dem Campus erst mal durch die Hölle …«
Der Leiter des Wachdienstes schwieg einen Moment, dannfügte er hinzu: »He, sind Sie sicher, dass Sie den richtigen Namen haben?«
»Ja. Geoffrey Curtin. Aus Sierra im Einundfünfzigsten Bundesstaat.«
»Also, mit dem Namen hab ich hier keinen.«
»Können Sie vorsichtshalber noch mal nachsehen?«
»Habe ich schon. Keiner da. Ich hab das Gesamtverzeichnis, wissen Sie. Alle Studenten, Dozenten, Campus-Personal – jeder Universitätsangehörige. Den gibt es nicht. Vielleicht fragen Sie mal beim Ithaca College nach. Wir werden manchmal verwechselt, wissen Sie, ist ein Stück die Straße runter.«
Nachdem Jeffrey aufgelegt hatte, griff er nach dem Schuldossier. Dem Bericht war ein Annahmebescheid von Cornell beigefügt, mit der handschriftlichen Notiz eines Vertrauenslehrers:
Einzahlung postalisch erfolgt
.
Jeffrey merkte plötzlich, dass sowohl seine Mutter als auch seine Schwester ihn beobachteten.
»Er ist nicht da«, berichtete er. »Sollte er aber. Das könnte heißen, er ist hier …«
Der mürrische Agent am Lenkrad murmelte: »Versuchen Sie’s bei der Passkontrolle. Die wissen, ob er im Staat ist oder nicht.«
Jeffrey nickte.
Im Flüsterton fügte der Agent hinzu: »Ich will Ihnen schließlich helfen, aber Sie müssen mir ja ’ne Knarre unter die Nase halten, verflucht noch mal …«
Jeffrey machte den Anruf. Dank seiner hohen Zugangsstufe bekam er eine schnelle Antwort: Geoffrey Curtin, achtzehn Jahre alt, wohnhaft 135 Buena Vista Drive, Sierra, hatte den Staat am vierten September verlassen; als Reiseziel hatte er Ithaca, New York, angegeben; er war noch nicht zurückgekehrt.
»Also«, sagte Susan, »was meinst du? Ist er hier? Oder nicht?«
»Ich glaube, eher nicht, aber wir sind besser auf der Hut.«
»Ich bin die Vorsicht in Person«, witzelte Susan.
»Nein, das bist du nicht«, widersprach Diana düster. »Bist du noch nie gewesen.«
Die zweispurige Hauptstraße von Sierra war verstopft; Scheinwerfer blendeten, dazu ertönte ein ohrenbetäubendes Hupkonzert. Jugendliche hatten sich scharenweise in Autos gezwängt, hingen am Heck der Pick-ups oder winkten aus den Fenstern – ein einziges wildes Getöse. In der Mitte des zentralen Platzes brannte ein Freudenfeuer, von dem eine orangerote Flamme vielleicht zehn Meter hoch in den nachtblauen Himmel stach.
In einer diskreten Entfernung von zirka fünfzig Metern parkte ein Löschzug, während ein halbes Dutzend Feuerwehrleute, einen leeren Schlauch zu ihren Füßen, mit verschränkten Armen grinsend dastanden und zusahen, wie eine Reihe junger Leute im Kreis um das Feuer tanzte. Zwei Streifenwagen von der Staatssicherheit standen ebenfalls mit blinkendem Rotblaulicht am Rande der Menge. Nicht nur Teenager nahmen an dem Ereignis teil, sondern auch kleinere Kinder, die länger aufbleiben durften, und Erwachsene, die sich nicht alle so schwungvoll bewegten und auch ein wenig lächerlich wirkten, sich den Tanz aber nicht nehmen ließen. Aus einem halben Dutzend voll aufgedrehten Autostereoanlagen dröhnte stampfende Musik. Nach einer Weile wurde sie jedoch von einer Blaskapelle übertönt, die im Marschschritt um die Ecke kam, so dass die Blechinstrumente im Licht des Feuers und der Autos in der Dunkelheit blitzten.
»Entscheidungsspiel der Highschool-Football-Saison«, erklärteder Agent am Lenkrad, während er den Wagen behutsam durch die Menge lavierte. »Sierra muss demnach heute Abend gewonnen haben. Dann wären sie beim Schüler-Superbowl. Nicht schlecht. Wirklich nicht schlecht.«
Der Agent hupte ein Kabrio voller Teenager an, das vor ihnen zum Stehen gekommen war. Die Jugendlichen drehten sich um, lachten und gestikulierten wild, aber nicht aggressiv. Mit einem Ruck und quietschenden Reifen gelang es dem Mädchen am Steuer, zur Seite zu fahren.
»Wir haben das gleich hinter uns. Sieht so aus, als wäre heute jeder von Rang und Namen hier dabei.«
»Wie lange geht das wohl noch?«, fragte Susan.
Der Agent zuckte die Achseln. »Dieses Feuer sieht aus, als hätten sie’s gerade erst entzündet, und ich kann auch noch keine Mannschaft entdecken. Müssen schließlich auf sie warten. Und auf den Trainer. Und wahrscheinlich auf den Bürgermeister, den Stadtrat und wer sonst noch ein Megaphon zwischen die Finger kriegt, um ein paar Worte
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