Das Regenwaldkomplott
Yayaomo umarmte Pater Ernesto – eine Auszeichnung, die noch kein Yanomami seines Stammes gegeben hatte.
»Willkommen!« sagte er in seiner wohlklingenden Yanomami-Sprache. Und dann, auf portugiesisch: »Wir freuen uns.«
* * *
Ribateio hatte es richtig vorausgesehen: Coronel Bilac tobte wie ein angestochener Stier. Seine Stimme überschlug sich. Aber das Ungeheuerliche war nun mal geschehen, und man konnte Ribateio noch nicht einmal die Schuld geben. Auch ein Polizist hat das Recht auf Schlaf. Peinlich war nur, daß Bilac außer von Miguel Assis (wegen des freiwerdenden Yanomami-Landes) auch von Paulo Lobos eine kräftige Dollarspritze erhalten hatte mit der Bitte, sich Lobos' Tochter Sofia anzunehmen, sie sofort nach Boa Vista zu bringen und dafür Sorge zu tragen, daß ein Senhor Minho nicht weiter Unheil anrichtete. Das Geld war auf dem Konto eingetroffen, aber was sollte Bilac jetzt zu Lobos sagen? Er hatte ein Geschäft abgeschlossen, einen Liefervertrag, und konnte nun nicht liefern.
Morgen früh landen die Militärpolizisten in Santo Antônio. Ich werde ihnen eine Polizeitruppe beigeben, die Ribateio verstärken soll. Mit einem Boot waren sie unterwegs? Dann konnte es nur flußabwärts gehen, denn den Rio Parima hinauf kamen sie zu den Dragos, den großen Baggerschiffen, und dann nach Novo Lapuna, bestimmt nicht das Ziel einer Flucht. Man sagte Lobos zunächst also gar nichts. Mit Hubschraubern würde es möglich sein, sie auf oder am Rio Parima aufzustöbern. Der Vorsprung, den sie haben, ist nicht von Bedeutung.
»Sie haben versagt, Tenente!« brüllte Bilac trotzdem ins Telefon. »Darüber wird noch zu sprechen sein!«
»Es lag kein Anlaß vor, Senhor Coronel, Marco Minho zu bewachen. Niemand hat mir einen Befehl gegeben.«
»Hat Ihnen Fernando Mechia nichts erzählt?«
»Nein, Senhor Coronel.«
Man konnte ihn nicht mehr fragen, es gab ihn nicht mehr. Bilac blieb hart, wurde aber etwas freundlicher. »Wie ist sonst die Lage, Tenente?«
»Alle Missionsangehörigen stehen zur Evakuierung bereit.«
Bilac knurrte etwas Unverständliches und legte dann auf.
Am nächsten Morgen – Pater Vincence sah auf seine Armbanduhr, genau 10 Uhr – landeten kurz hintereinander fünf größere Transportflugzeuge und ein Hubschrauber der Polizei von Boa Vista auf der Piste von Santo Antônio.
Kaum waren die Türen geöffnet, quollen mit MPs bewaffnete, in Tarnanzügen gekleidete Truppen aus den Maschinen und verteilten sich auf dem Gelände. Ein Major und drei andere Offiziere stiegen als letzte aus, die Offiziere eilten zu ihren Einheiten, während der Major mit vier Militärpolizisten, ohne den herbeieilenden Ribateio überhaupt zu beachten, direkt zum Hospital ging.
Er stieß die Tür auf, blickte auf die fünf verletzten Garimpeiros und warf die Tür wieder zu. Den Eingang zum Ordinationszimmer öffnete er mit einem Fußtritt – die Klinke klemmte etwas.
Schwester Margarida saß auf dem Stuhl hinter dem Schreibtisch, auf dem Thomas Binder immer gesessen hatte. Sie hatte ihre Ordenstracht angelegt und sah gelassen dem Major entgegen, der ins Zimmer stürmte, als habe er den Befehlsstand des Gegners erobert. Margarida war die einzige, die in den Gebäuden geblieben war, alle anderen Missionsangehörigen, auch Luise, hatten sich im Gebetssaal versammelt.
»Wer sind Sie?« fuhr der Major barsch Schwester Margarida an.
Sie erhob sich von ihrem Stuhl und blickte ihn furchtlos an.
»Sie sehen doch, wer ich bin«, antwortete sie tapfer.
»Ich will nicht wissen, was ich sehe, ich will von Ihnen wissen, wer Sie sind!«
»Schwester Margarida Quental. Ich verwalte jetzt das Hospital.«
»Wo ist der Arzt?!«
»Das wissen Sie auch, Comandante.«
»Ich wiederhole: Ich will von Ihnen wissen, wo der Arzt ist!«
»Er liegt hinter dem Haus zwei Meter tief in der Erde.«
»Haben Sie solch freche Antworten im Kloster gelernt?!«
»Und Sie solch dumme Fragen auf der Militärakademie?«
»Sie sind die Schwester, die hierbleiben soll?«
»Ja.«
»Sie werden sich noch wundern! Morgen kommen ein Militärarzt und zwei Sanitäter. Dann sind Sie überflüssig.«
»Ich bleibe hier, bis ich eine neue Anweisung der FUNAI bekomme. Sie sind nicht mein Vorgesetzter.«
»Aber mit mir werden Sie leben müssen.«
»Ich werde es überleben, Senhor.«
Der Major grinste anzüglich, verließ das Zimmer und schlug die Tür hinter sich wieder zu.
Das Missionsgebäude war von Militärpolizei umstellt, als sei es ein Gefängnis
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