Das Rosenhaus
sich voneinander los und
richteten staunende Blicke nach oben zu den vielen bunten Sternen am schwarzen
nächtlichen Himmel.
Heute war ein Tag, den keiner von ihnen jemals vergessen würde, ging
es Lily durch den Kopf.
Peter und Wendy deshalb, weil es einer der schönsten Tage in ihrem
Leben war.
Frei von den Sorgen und Fehltritten anderer.
Während sie sie beobachtete, wurde Lily immer ruhiger.
Dann drehte sie sich um und ging zum Auto.
28
L iam wartete bereits auf sie.
Er stand mit dem Rücken an den Wagen gelehnt, den Blick
zum Boden gerichtet, bis er sie kommen hörte. Dann sah er auf und lächelte sie
an. Irgendwie erleichtert, fand Lily.
»Du hast dir ja ganz schön Zeit gelassen.«
»Heute bin ich von Duncan Corday aufgehalten worden.«
»Ach ja?« Liams Gesicht verdüsterte sich. »Was wollte er denn?«
»Meinen Körper.«
Er dachte, sie machte Witze, und lächelte schief.
»Verdammter alter Corday. Wenn es nach ihm ginge, würde er jeden um
sich herum mit Leib und Seele verschlingen. Mann, bin ich froh, wenn unsere
Zusammenarbeit mit dem Kerl endlich beendet ist.«
»Ist das dein Ernst?«
»Mir ist selten etwas ernster gewesen.« Er reichte ihr die Hand.
»Komm, lass uns nach Hause fahren …«
Im Auto sprachen sie kein Wort.
Sie bemerkte, dass er einige Male Anlauf nahm, etwas zu sagen, aber
letztendlich schwieg er dann doch.
Lily schaltete das Radio ein und ließ die Musik die Stille
vertreiben.
Zu Hause angekommen, machten sie sich bettfertig.
Sie beeilte sich, als Erste im Bett zu liegen, und stellte sich dann
schlafend.
Er küsste sie liebevoll auf die Schulter und murmelte »Ich liebe
dich, Lily Bonner«, bevor auch er sich schlafen legte.
Sie unterdrückte ein Schluchzen. Wartete, bis sie seinen
regelmäßigen, tiefen Atem hörte. Stand auf, zog sich den Morgenmantel über,
schlüpfte in die Flipflops und schlich sich hinaus. Hinunter. Zur Haustür
hinaus, durch den Garten, Richtung Meer.
Bis hin zur Klippe. Bis sie buchstäblich nicht mehr weiterkam.
Und dann atmete sie endlich aus. All die Luft, die sie in den
vergangenen eineinhalb Stunden angehalten hatte. Und sie sank unter all der
Last zu Boden.
Sie machte sich so klein wie möglich. Verbarg den Kopf zwischen den
Knien und umklammerte verzweifelt ihre Beine, als würde ihre ganze Welt
auseinanderbrechen, wenn sie jetzt losließe.
So saß sie eine ganze Weile da. Als die pochenden, migräneartigen
Schmerzen im gesamten Körper endlich nachließen, konnte sie wieder klare Gedanken
fassen.
Sie dachte zurück an jenen Morgen vor acht Wochen, als sie mit
Nathan genau hier gestanden hatte. Dachte an seine starken, sie umschlingenden
Arme, seine weichen Lippen auf ihren, das Gefühl seines Körpers gegen ihren.
Liam hatte lediglich das getan, was sie erst im letzten Moment nicht
getan hatte.
Wie groß war der Unterschied zwischen einer gedachten und einer
ausgeführten Tat? Himmelweit oder marginal?
Sie hätte Nathan zurückrufen können. Den Kuss fortsetzen. Sich ganz
hingeben.
Hatte sie aber nicht.
Hätte sie es getan, wenn sie von Liams Fehltritt gewusst hätte?
Hätte sie sich mit Nathan ins hohe Gras sinken lassen?
Vielleicht.
Vielleicht auch nicht.
Aber sie konnte das Bedürfnis nach Trost so gut verstehen. Und ganz
besonders nach dieser Art von Trost. Denn ganz gleich, was Duncan Corday gesagt
hatte – wenn hier irgendjemandem Wiedergutmachung zustand, dann Liam.
Sie hatte ihn vollkommen aus ihrem Leben ausgeschlossen.
Als sei das alles nur ihr passiert und nicht ihm.
Sie hatte ihn ausgeschlossen. Sich ihm entzogen. Nicht nur
emotional, sondern auch sexuell.
An jenem Abend, als sie viel früher als geplant aus Treskerrow
zurückkehrten, waren sie zum ersten Mal seit langer, langer Zeit wieder richtig
zusammen gewesen.
Natürlich war das keine Entschuldigung dafür, mit jemand anderem ins
Bett zu gehen. Aber zusammen mit so vielen anderen Faktoren trug es sicher dazu
bei.
Das, was sie heute erfahren hatte – so schmerzhaft es auch gewesen
sein mochte –, erklärte so unendlich viel.
Es beantwortete so viele Fragen.
Sie war sich absolut sicher, dass er ihr weder vorher noch nachher
jemals untreu gewesen war. Sie hatte ja bemerkt, wie er sich verändert hatte.
Liam war kein treuloser Mann. Er hatte sich mit Schuldgefühlen gequält. Die
Schuldgefühle hatten ihn verändert.
Sie wusste auch ohne seine Beteuerungen, dass es ihm zutiefst leid
tat.
Sie konnte also nachvollziehen, warum er es
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