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Das Rosie-Projekt

Das Rosie-Projekt

Titel: Das Rosie-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graeme Simsion
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– logisch, weil ich Genetiker bin.
    »Ihr Haar hat eine sehr ungewöhnliche Farbe. Vielleicht …«
    Sie lachte. »Für diesen Rotton gibt es keine Gene.«
    Sie merkte wohl, dass ich verwirrt war.
    »Die Farbe kommt aus der Flasche.«
    Jetzt begriff ich, was sie meinte. Sie hatte ihr Haar in dieser unnatürlich leuchtenden Farbe gefärbt. Unfassbar! Mir war gar nicht in den Sinn gekommen, das Thema Haarefärben durch den Fragebogen abzuklären. Ich nahm mir vor, dies baldmöglichst zu korrigieren.
    Es klingelte. Ich hatte Rosie nichts vom Taxi gesagt und brachte sie auf den neuesten Stand. Sie leerte jäh ihr Glas, streckte die Hand vor, und mir schien, dass ich nicht der Einzige war, der sich unwohl fühlte.
    »Tja«, meinte sie, »das war mal ein interessanter Abend. Ich wünsch Ihnen noch ein schönes Leben.«
    Das war keine Standardformel zur Verabschiedung. Ich hielt es für sicherer, mich an die Konventionen zu halten.
    »Gute Nacht. Ich habe den Abend sehr genossen.« Dann fügte ich der Standardformel noch »Und viel Glück beim Finden Ihres Vaters« hinzu.
    »Danke.«
    Damit ging sie.
    Ich war aufgewühlt, aber nicht im negativen Sinn. Es war mehr ein Fall von sensorischer Überlastung. Gut, dass noch etwas Wein in der Flasche war. Ich füllte ihn in mein Glas und rief Gene an. Claudia nahm ab, und ich übersprang die Nettigkeiten.
    »Ich muss mit Gene sprechen.«
    »Er ist nicht da«, sagte Claudia. Sie klang desorientiert. Vielleicht hatte sie getrunken. »Ich dachte, er ist bei dir zum Hummeressen.«
    »Gene hat mir die inkompatibelste Frau der Welt geschickt. Eine Barfrau. Sie ist unpünktlich, Vegetarierin, unorganisiert, irrational, lebt ungesund, raucht –
raucht!
 –, hat psychologische Probleme, kann nicht kochen, nicht rechnen und färbt sich die Haare unnatürlich rot. Ich nehme an, das war als Scherz gemeint.«
    Claudia schien meine Aussage dahingehend zu interpretieren, dass es mir schlechtging, denn sie fragte: »Ist alles in Ordnung, Don?«
    »Natürlich«, antwortete ich. »Sie war ausgesprochen unterhaltsam. Aber absolut ungeeignet für das Projekt Ehefrau.« Als ich diese unumstritten sachliche Feststellung machte, verspürte ich einen Anflug von Bedauern, das mit meiner intellektuellen Einschätzung in Konflikt stand. Claudia unterbrach meinen Versuch, diese widersprüchlichen Geisteszustände zu verbinden.
    »Don, weißt du eigentlich, wie spät es ist?«
    Ich trug keine Armbanduhr. Und plötzlich erkannte ich meinen Irrtum. Als ich das Taxi rief, hatte ich die Anzeige der Küchenuhr als Bezugszeit genommen – die Uhr, die Rosie verstellt hatte. Es musste fast 2 : 30  Uhr gewesen sein! Wie hatte ich nur derart mein Zeitgefühl verlieren können? Dies war eine wichtige Lektion über die Gefahren einer Änderung des Zeitplans. Rosie würde im Taxi den Nach-Mitternachts-Tarif zahlen müssen.
    Ich ließ Claudia weiterschlafen. Als ich die zwei Teller und zwei Weingläser aufnahm, um sie hineinzutragen, betrachtete ich erneut den nächtlichen Ausblick auf die Stadt – einen Ausblick, den ich noch nie zuvor gesehen hatte, obwohl er die ganze Zeit da gewesen war.
    Ich beschloss, mein Aikido-Training vor dem Schlafengehen ausfallen und den provisorischen Tisch auf der Terrasse stehen zu lassen.

9
    »Ich habe sie als Wildcard in den Topf geworfen«, erklärte Gene, als ich ihn am nächsten Tag aus einem nicht im Terminkalender eingetragenen Nickerchen weckte, das er unter seinem Schreibtisch hielt.
    Gene sah fürchterlich aus, und ich riet ihm, er solle sich das späte Aufbleiben abgewöhnen – auch wenn ich ausnahmsweise denselben Fehler gemacht hatte. Es war wichtig, dass er zur rechten Zeit zu Mittag aß, damit er zu seinem gewohnten Tagesrhythmus zurückkehren konnte. Er hatte ein Lunchpaket von zu Hause dabei, und wir steuerten eine Wiese auf dem Campus an. Für mich selbst holte ich unterwegs Algensalat, Misosuppe und einen Apfel aus der japanischen Cafeteria.
    Es war ein schöner Tag. Das bedeutete leider, dass viele Frauen in kurzen Kleidern im Gras saßen oder vorbeigingen und Gene ablenkten. Gene ist sechsundfünfzig, obwohl diese Information eigentlich nicht bekannt werden darf. In diesem Alter sollte sein Testosteronspiegel bereits auf ein Niveau mit deutlich reduziertem Sexualtrieb gefallen sein. Meine Theorie lautet, dass sein ungewöhnlich starkes Interesse an Sex auf mentaler Gewohnheit beruht. Doch in der menschlichen Physiologie gibt es Abweichungen, und vielleicht ist

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