Das Rosie-Projekt
Fremden.«
»Ich bin kein Fremder.«
»Wie man’s nimmt«, erwiderte sie und lachte. Ich hatte immer noch keine Antwort auf die Lesbenfrage bekommen. Rosie machte sich ebenfalls ein Bier auf. Ich holte den Aktenordner und zog das Foto der Abschlussfeier heraus.
»Ist das die Feier, auf der Ihre Mutter schwanger wurde?«
»Scheiße. Wo haben Sie das denn her?«
Ich erklärte ihr meine Nachforschungen. »Alle Namen sind aufgelistet. Dreiundsechzig Männer, neunzehn davon Nicht-Weiße, was durch Betrachtung und Namensabgleich festgestellt werden konnte. Drei sind bereits ausgeschlossen.«
»Sie machen Witze. Wir testen doch nicht … einunddreißig Männer!«
»Einundvierzig.«
»Wie auch immer. Ich habe für keinen von ihnen einen Vorwand für ein Treffen.«
Ich erzählte ihr von der Jubiläumsfeier.
»Da besteht allerdings ein kleines Problem«, sagte Rosie. »Wir sind nicht eingeladen.«
»Korrekt«, entgegnete ich. »Das Problem ist klein und bereits gelöst. Es wird Alkohol ausgeschenkt.«
»Und?«
Ich deutete auf die Ansammlung von Flaschen auf den Regalen hinter der Theke. »Ihre Dienste werden benötigt.«
»Sie verarschen mich wohl.«
»Könnten Sie sich dort nicht für den Service bewerben?«
»Moment, Moment … Das wird ja immer verrückter. Sie denken, wir sollen zu der Party gehen und von den Gläsern der Leute Abstriche nehmen? Oh, Mann!«
»Nicht wir. Sie. Ich habe nicht die nötigen Kenntnisse. Aber sonst: korrekt.«
»Vergessen Sie’s.«
»Ich dachte, Sie wollen wissen, wer Ihr Vater ist.«
»Das hab ich Ihnen doch gesagt«, erwiderte sie. »
So
sehr nun auch wieder nicht.«
Zwei Tage später erschien Rosie an meiner Wohnung. Es war 20 : 47 Uhr, und ich reinigte gerade das Badezimmer, da Eva, die kurzberockte Putzfrau, wegen Krankheit abgesagt hatte. In meinem Badezimmerreinigungsoutfit, bestehend aus Shorts, Chirurgenstiefeln und Handschuhen, aber ohne T-Shirt, betätigte ich den Türsummer
»Wow.« Sie starrte mich einen Moment lang an. »Das kommt vom Kampfsporttraining, oder?« Sie schien sich auf meine Brustmuskulatur zu beziehen. Dann sprang sie plötzlich auf und ab wie ein Kind.
»Wir haben den Auftrag! Ich habe die Agentur ausfindig gemacht und ihnen Dumpingpreise angeboten, und sie haben gesagt: Okay, okay, aber verraten Sie es niemandem. Wenn das vorbei ist, werde ich die Typen bei der Gewerkschaft melden.«
»Ich dachte, Sie wollten das nicht tun.«
»Hab meine Meinung geändert.« Sie reichte mir ein fleckiges Taschenbuch. »Lernen Sie das auswendig. Ich muss arbeiten.« Damit drehte sie sich um und ging.
Ich betrachtete das Buch:
Barmixers Begleiter: Der vollständige Führer zum Mischen und Servieren von Longdrinks, Cocktails und anderen Mixgetränken
. Offensichtlich waren dort die Aufgaben spezifiziert, die ich zu verrichten hätte. Bevor ich das Badezimmer fertigputzte, lernte ich die ersten Rezepte auswendig. Ich ließ mein Aikido-Training ausfallen, um weitere Rezepte zu lernen, und während ich mich zum Schlafengehen bereitmachte, ging mir auf, dass die Dinge tatsächlich immer verrückter wurden. Es war nicht das erste Mal, dass in meinem Leben Chaos ausbrach, und ich hatte eine Vorgehensweise entwickelt, um mit Problemen und den daraus folgenden Störungen meines rationalen Denkens umzugehen. Ich rief Claudia an.
Sie konnte mich am nächsten Tag treffen. Da ich offiziell nicht zu ihren Patienten gehöre, mussten wir unser Gespräch in einem Café führen anstatt in ihrer Praxis. Und ich bin derjenige, dem ständig mangelnde Flexibilität vorgeworfen wird!
Ich umriss die Situation unter Auslassung des Vaterprojekts, da ich die heimliche DNA -Gewinnung nicht offenlegen wollte, die Claudia möglicherweise für unethisch hielte. Stattdessen erzählte ich, Rosie und ich interessierten uns für dieselben Filme.
»Hast du mit Gene darüber gesprochen?«, wollte Claudia wissen.
Ich sagte, Gene habe Rosie als Kandidatin für das Ehefrauprojekt vorgeschlagen und werde mir sicher nur raten, mit ihr Sex zu haben. Ich erklärte, dass Rosie als Partnerin völlig ungeeignet sei, Gene aber vermutlich der Illusion erliege, ich sei in dieser Hinsicht an ihr interessiert. Ich äußerte meine Befürchtung, Rosie könne in unserem gemeinsamen Interesse einen Vorwand meinerseits sehen, dass ich an ihr interessiert sei. Ich hätte einen riesigen gesellschaftlichen Fehler begangen, indem ich sie nach ihrer sexuellen Orientierung fragte, was diesen Eindruck
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