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Das Rosie-Projekt

Das Rosie-Projekt

Titel: Das Rosie-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graeme Simsion
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traurig gewesen, dass es so viele Frauen gab, die nach Partnern suchten und verzweifelt genug waren, am Testverfahren teilzunehmen, auch wenn nur eine geringe Chance bestand, dass sie den Anforderungen entsprachen.
    »Der Test ist ganz und gar freiwillig«, erwiderte ich.
    »Wie großzügig von Ihnen. Aber denken Sie mal über Folgendes nach: Jede Frau, die sich dem Fragebogentest unterwirft, lässt sich als Objekt behandeln. Nun können Sie zwar sagen, sie hätte sich das ja selbst ausgesucht. Aber wenn Sie sich mal zwei Minuten Zeit nehmen, um darüber nachzudenken, wie sehr unsere Gesellschaft Frauen dazu zwingt, sich selbst als Objekt zu sehen, sagen Sie das vielleicht nicht mehr. Was mich interessiert, ist: Wollen Sie wirklich eine Frau, die so denkt? Ist das die Sorte Ehefrau, die Sie wollen?« Rosie klang wütend. »Wissen Sie, warum ich mich so anziehe? Warum ich diese Brille trage? Weil ich
nicht
als Objekt behandelt werden will! Wenn Sie wüssten, wie sehr es mich beleidigt, dass Sie mich für eine Bewerberin gehalten haben, eine
Kandidatin
 …«
    »Warum sind Sie dann an dem Tag zu mir gekommen?«, wollte ich wissen. »Am Tag des Jackett-Zwischenfalls.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Wissen Sie noch … in Ihrer Wohnung … auf dem Balkon? Als ich Ihnen die Frage nach der Größe der Hoden stellte?«
    Ich nickte.
    »Kam es Ihnen nicht komisch vor, dass ich bei einer ersten Verabredung gleich von Hoden spreche?«
    »Eigentlich nicht. Bei einer Verabredung bin ich viel zu sehr darauf konzentriert, selbst keine komischen Dinge zu sagen.«
    »Okay, streichen Sie das.« Sie schien sich ein wenig zu beruhigen. »Der Grund, warum ich das fragte, war eine Wette mit Gene. Gene, dieses Sexistenschwein, hatte gewettet, dass Menschen von Natur aus nicht monogam veranlagt seien, was man an der Größe ihrer Hoden ablesen könne. Er schickte mich zu einem Genetiker, um die Sache zu klären.«
    Ich brauchte eine Weile, um die gesamte Tragweite ihrer Worte zu ermessen. Gene hatte sie nicht auf eine Essenseinladung vorbereitet. Eine Frau – Rosie – hatte ohne weitere Vorwarnung und ohne Absprache eine Verabredung mit mir angenommen. Ich wurde von einem irrational übertriebenen Gefühl der Befriedigung erfüllt. Aber Gene hatte mich getäuscht. Und wie es schien, hatte er Rosie finanziell übervorteilt.
    »Haben Sie viel Geld verloren?«, fragte ich. »Es scheint mir ausbeuterisch, dass ein Professor eine Wette mit einer Bardame abschließt.«
    »Ich bin keine Scheiß-Bardame!«
    Am Gebrauch der Obszönität konnte ich erkennen, dass Rosie wieder wütend wurde. Aber die Fakten konnte sie keineswegs leugnen. Ich erkannte meinen Irrtum, der in einem Hörsaal ebenfalls Probleme verursacht hätte.
    »Bar-
Servicekraft?
«
    »Barkeeperin ist ein wunderbarer nicht-sexistischer Ausdruck«, sagte sie. »Aber darum geht es nicht. Es ist mein Nebenjob. Ich mache meinen Doktor in Psychologie, okay? In Genes Fakultät. Ergibt das jetzt einen Sinn?«
    Natürlich! Plötzlich fiel mir ein, wo ich sie schon mal gesehen hatte – im Gespräch mit Gene nach seiner öffentlichen Vorlesung! Ich erinnerte mich, dass Gene sie zum Kaffee hatte einladen wollen – wie er es bei attraktiven Frauen immer machte –, aber sie hatte abgelehnt. Aus irgendeinem Grund freute ich mich jetzt darüber. Wenn ich sie allerdings gleich beim ersten Mal in meinem Büro erkannt hätte, wäre das ganze Missverständnis vermieden worden. Alles ergab jetzt einen Sinn, einschließlich ihres Auftritts als Anwärterin für ein Medizinstudium. Nur zwei Dinge passten nicht.
    »Warum haben Sie mir das nicht gesagt?«
    »Weil ich eine Barfrau
bin
und mich nicht dafür schäme. Wenn Sie mich wollen, müssen Sie mich als Barfrau nehmen oder gar nicht.« Ich vermutete, dass sie das im übertragenen Sinn meinte.
    »Exzellent«, erwiderte ich. »Das erklärt fast alles.«
    »Oh, wie schön! Warum denn nur ›fast‹? Denken Sie ja nicht, Sie müssten irgendwelche Fragen offenlassen.«
    »Warum hat Gene es mir nicht gesagt?«
    »Weil er ein Arschloch ist.«
    »Gene ist mein bester Freund.«
    »Mein herzliches Beileid!«
    Nun, da alles geklärt war, wurde es Zeit, das Projekt abzuschließen, auch wenn unsere Chancen, heute Nacht Rosies Vater zu finden, ziemlich schlecht standen. Vierzehn Kandidaten standen noch aus, und wir hatten nur noch drei weitere Proben vom Jubiläumsabend. Ich ging zum Analysegerät.
    »Hören Sie«, sagte Rosie. »Ich frage Sie noch einmal: Warum

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