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Das Rosie-Projekt

Das Rosie-Projekt

Titel: Das Rosie-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graeme Simsion
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Abfahrtzeit wartete, übte ich mit dem Skelett noch Cha-Cha-Cha und Rumba. Als ich ins Labor ging, um ein Bier zu holen, überkam mich plötzlich eine Gefühlsregung. Ich vermisste die Stimulation des Vaterprojekts.
    Der Frack mit seinen Schößen sowie der Zylinder waren zum Fahrradfahren vollkommen ungeeignet, also nahm ich ein Taxi und traf wie geplant um Punkt 19 : 55  Uhr am Zielort ein. Hinter mir fuhr ein weiteres Taxi vor, und eine große dunkelhaarige Frau stieg aus. Sie trug das phantastischste Kleid der Welt, in den buntesten Farben – rot, blau, gelb, grün – mit raffiniertem Schnitt und langem Schlitz an der Seite. Noch nie hatte ich eine so spektakuläre Erscheinung gesehen. Geschätztes Alter: fünfunddreißig, BMI : zweiundzwanzig, wie im Fragebogen angegeben. Weder ein bisschen zu früh noch zu spät. Stand hier etwa meine zukünftige Ehefrau vor mir? Es war kaum zu glauben.
    Als ich aus dem Taxi stieg, warf sie mir kurz einen Blick zu und ging in Richtung der Tür. Ich atmete tief durch und folgte ihr. Sie trat ein und sah sich um. Dann musterte sie mich erneut, diesmal etwas eingehender. Ich ging zu ihr hin, blieb nahe genug stehen, damit wir uns unterhalten könnten, achtete aber darauf, ihr nicht zu nahe zu kommen. Ich sah ihr in die Augen und zählte eins, zwei. Dann senkte ich den Blick, aber nur geringfügig.
    »Hallo«, sagte ich, »ich bin Don.«
    Sie sah mich eine Weile an, bevor sie ihre Hand ausstreckte, um meine mit geringem Druck zu schütteln.
    »Ich bin Bianca. Sie … haben sich ja wirklich in Schale geworfen.«
    Ich kombinierte, dass sie mit »Schale« mein Äußeres meinte. »Natürlich, auf der Einladung stand ›Abendgarderobe‹.«
    Nach geschätzten zwei Sekunden brach sie in Gelächter aus. »Jetzt haben Sie mich aber wirklich fast gekriegt. Was für ein trockener Humor! Wissen Sie, da schreibt man, man wünsche sich jemandem mit ›ausgeprägtem Sinn für Humor‹, aber man erwartet nicht, einen echten Komiker zu erwischen. Ich glaube, wir beide werden viel Spaß haben.«
    Die Dinge liefen außergewöhnlich gut.
    Der Ballsaal war riesig – Dutzende von Tischen mit festlich gekleideten Akademikern.
Alle
drehten sich zu uns um, und es war offensichtlich, dass wir Eindruck machten. Zuerst dachte ich, es läge an Biancas spektakulärem Kleid, aber es waren noch viele andere interessant gekleidete Frauen anwesend. Dann bemerkte ich, dass die Männer fast ausnahmslos schwarze Anzüge mit weißen Hemden und Fliegen trugen. Niemand war mit Frack und Zylinder bekleidet. Das erklärte Biancas ursprüngliche Reaktion. Es war eine unangenehme Situation, aber nichts, das ich nicht schon erlebt hätte. Mit großer Geste lüftete ich vor der Menge den Hut, und man jubelte mir zu. Bianca schien die Aufmerksamkeit zu genießen.
    Laut Sitzordnung saßen wir an einem Tisch für zwölf am Rande der Tanzfläche. Eine Band stimmte die Instrumente. Nach eingehender Betrachtung derselben kam ich zu dem Schluss, dass meine Kenntnisse in Cha-Cha-Cha, Samba, Rumba, Foxtrott, Walzer, Tango und Lambada vermutlich nicht benötigt würden. Ich würde wohl auf meine Arbeit des zweiten Übungstags zurückgreifen müssen – Rock’n’Roll.
    Genes Empfehlung, dreißig Minuten nach dem offiziellen Beginn einzutreffen, hatte zur Folge, dass alle Plätze bis auf drei an unserem Tisch bereits besetzt waren. Einer davon gehörte Gene, der gerade herumging und Champagner einschenkte. Claudia war nicht anwesend.
    Ich erkannte Laszlo Hevesi aus der Physik, der völlig unangemessen in Militärhose und Hiking-Shirt gekleidet war und neben einer Frau saß, die ich überraschenderweise als Frances von der Speed-Dating-Nacht identifizierte. Auf der anderen Seite neben ihm saß die Schöne Helena. Außerdem befanden sich am Tisch noch ein dunkelhaariger Mann um die dreißig ( BMI : etwa zwanzig), der sich anscheinend seit einigen Tagen nicht rasiert hatte, und neben ihm die schönste Frau, die ich je gesehen hatte. Im Gegensatz zu Biancas prunkvoller Robe trug sie ein schlichtes grünes Kleid ohne irgendwelche Verzierungen, das so geschnitten war, dass es nicht einmal Träger besaß, die es an Ort und Stelle hielten. Ich brauchte einen Moment, um zu erkennen, dass die Frau darin Rosie war.
    Bianca und ich belegten die letzten beiden Plätze zwischen Stoppelbart und Speed-Dating-Frances und folgten dabei dem Mann-Frau-Schema, das sich bereits etabliert hatte. Rosie begann mit der Vorstellung, und ich erkannte das

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