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Das Rosie-Projekt

Das Rosie-Projekt

Titel: Das Rosie-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graeme Simsion
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hinzu. »Ich konnte mein Glück kaum fassen. Aber Sie wissen ja, was man sagt: Für sein Glück muss man sich eben ins Zeug legen.«
    Rosie nahm ihr Champagnerglas, und Stefan fragte: »Wie lange tanzen Sie denn schon, Don? Schon irgendwelche Preise gewonnen?«
    Mir blieb eine Antwort erspart, da in diesem Moment die Dekanin eintraf.
    Sie trug ein besticktes rosafarbenes Ballkleid mit weitausgestelltem Rock und kam in Begleitung einer Frau in etwa ihrem Alter, die die typisch männliche Abendgarderobe trug: schwarzer Anzug und Fliege. Die Reaktion der Ballgäste war ähnlich der bei meinem Eintreffen, nur ohne das freundliche Grüßen am Ende.
    »Ach, herrje«, sagte Bianca. Ich mochte die Dekanin nicht besonders, aber bei diesem Kommentar fühlte ich mich unwohl.
    »Haben Sie ein Problem mit lesbischen Frauen?«, fragte Rosie leicht aggressiv.
    »Überhaupt nicht«, erwiderte Bianca. »Ihr Kleidergeschmack bereitet mir eher Probleme.«
    »Dann werden Sie mit Don ja Ihren Spaß haben«, entgegnete Rosie.
    »Ich finde, Don sieht
phantastisch
aus«, kommentierte Bianca. »Ich finde, man braucht Mut, sich von der Menge abzuheben. Einen einfachen Anzug oder Smoking kann jeder anziehen. Finden Sie nicht auch, Don?«
    Ich nickte in höflicher Zustimmung. Bianca zeigte genau die Charakteristika, nach denen ich suchte. Es bestand eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie perfekt wäre. Aber aus irgendeinem Grund rebellierte mein Instinkt. Vielleicht lag es an der Abstinenzregel. Meine unterschwellige Alkoholsucht verleitete mein Unterbewusstsein, mir Ablehnung gegen einen Menschen zu signalisieren, der mich vom Trinken abhalten würde. Ich musste meinen Instinkt überwinden.
    Wir beendeten das Vorstellungsgeplänkel, und die Band spielte ein paar laute Akkorde. Stefan ging hin und nahm dem Sänger das Mikrophon ab.
    »Guten Abend, verehrte Gäste«, sagte er. »Ich denke, Sie sollten wissen, dass sich heute eine Finalistin der Regionalen Tanzmeisterschaft unter uns befindet. Vielleicht haben Sie sie schon einmal im Fernsehen bewundert: Bianca Rivera. Gestatten wir Bianca und ihrem Partner doch, uns für ein paar Minuten zu unterhalten.«
    Ich hatte nicht erwartet, dass mein erster Auftritt derart öffentlich sein würde, doch das bot den Vorteil einer freien Tanzfläche. Ich hatte schon vor größerem Publikum Vorlesungen gehalten und vor ebenso großen Menschenmengen Kampfsportwettkämpfe ausgetragen. Es gab also keinen Grund, nervös zu sein. Bianca und ich betraten die Tanzfläche.
    Ich nahm die Standardhaltung für Jive ein, die ich mit dem Skelett geübt hatte, und sofort überkam mich dieses unangenehme Gefühl, fast wie Übelkeit, das ich empfinde, wenn ich gezwungen bin, andere Menschen anzufassen. Zwar hatte ich mich mental darauf vorbereitet – nicht aber auf ein anderes, viel schwerwiegenderes Problem: Ich hatte nicht mit Musik geübt. Ich bin sicher, dass ich die Schritte akkurat ausführte, jedoch nicht genau in dem Tempo, das die Band mit ihrem Rhythmus vorgab. Wir stolperten sofort übereinander, und das Ergebnis war ein Desaster. Bianca versuchte zu führen, aber ich hatte keine Erfahrung mit einer lebendigen Tanzpartnerin, geschweige denn einer, die die Kontrolle übernehmen wollte.
    Die Leute begannen zu lachen. Ich bin Experte darin, ausgelacht zu werden, und als Bianca sich von mir löste, ließ ich meinen Blick über das Publikum schweifen, um zu sehen, wer
nicht
lachte – eine ausgezeichnete Methode, um Freunde zu identifizieren. Gene, Rosie und überraschenderweise auch die Dekanin samt Partnerin waren heute Abend meine Freunde. Stefan definitiv nicht.
    Irgendeine bemerkenswerte Maßnahme war nötig, um die Situation zu retten. Bei meinen Tanzrecherchen hatte ich ein paar spezielle Figuren entdeckt, die ich zwar nicht hatte einsetzen wollen, an die ich mich nun aber erinnerte, weil sie so interessant gewesen waren. Sie hatten den Vorteil, dass sie weder synchrone Bewegungen der Tanzpartnerin noch Körperkontakt erforderten. Jetzt war die richtige Zeit, sie anzuwenden.
    Ich tanzte den »Laufenden Mann«, den »Melk die Kuh« und den »Fisch an der Angel«, mit dem ich Bianca zu mir holen wollte, doch sie bewegte sich nicht wie gefordert. Tatsächlich stand sie einfach nur da. Zuletzt versuchte ich ein Körperkontaktmanöver, das traditionell als spektakuläres Finale eingesetzt wird und bei dem der Mann die Frau einmal auf jede Seite schwingt, dann über den Rücken und durch die Beine zurück. Leider

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