Das Rosie-Projekt
verursachte Rosie noch immer beträchtliches Leid.
Meine eigene sexuelle Erfahrung war begrenzt. Gene hatte mich belehrt, dass es üblich sei, bis zur dritten Verabredung zu warten, und meine Beziehungen waren nie über ein erstes Treffen hinausgegangen. Tatsächlich hatten Rosie und ich auch nur eine einzige richtige Verabredung gehabt – den Abend mit dem Jackett-Zwischenfall und dem Balkonessen.
Die Dienste eines Freudenhauses hatte ich noch nie in Anspruch genommen, nicht aus moralischen Gründen, sondern weil ich die Vorstellung widerlich fand. Das war kein rationaler Grund, aber da die erstrebten Leistungen primitiver Art gewesen wären, reichte ein primitiver Grund aus.
Nun aber schien sich mir die Gelegenheit dessen zu bieten, was Gene als »Sex ohne Verpflichtungen« bezeichnen würde. Die erforderlichen Bedingungen lagen vor: Rosie und ich waren uns zweifelsfrei darüber einig gewesen, dass keiner von uns eine romantische Beziehung eingehen wollte, und dann hatte Rosie angedeutet, sie wolle Sex mit mir. Wollte ich Sex mit Rosie? Es schien kein logisches Argument dagegen zu sprechen, was mir die Freiheit ließ, meinen primitiven Begierden nachzugeben. Somit war die Antwort ein klares Ja. Nachdem ich diese absolut rationale Entscheidung getroffen hatte, konnte ich an nichts anderes mehr denken.
Am Sonntagmorgen traf Gene mich schon vor seinem Haus. Ich hatte Biancas Kontaktdaten mitgebracht und ihre Nationalität überprüft – Panama. Letzteres gefiel Gene sehr.
Er wollte alle Einzelheiten meines Gesprächs mit Rosie wissen, aber ich hatte entschieden, dass es Zeitverschwendung sei, alles zweimal zu erklären: Ich würde es ihm und Claudia gemeinsam erzählen. Da ich kein anderes Gesprächsthema hatte und Gene beim Laufen nicht reden konnte, verbrachten wir die nächsten siebenundvierzig Minuten schweigend.
Als wir zu Genes Haus zurückkehrten, saßen Claudia und Eugenie beim Frühstück.
Ich setzte mich zu ihnen und sagte: »Ich brauche euren Rat.«
»Kann das noch warten?«, wollte Claudia wissen. »Wir müssen Eugenie zum Reiten bringen, und dann treffen wir uns mit Leuten zum Brunch.«
»Nein. Ich habe möglicherweise einen gesellschaftlichen Fehler begangen und eine von Genes Regeln gebrochen.«
Gene sagte: »Don, ich denke, der panamaische Vogel ist ausgeflogen. Das kannst du unter der Rubrik Lebenserfahrung abheften.«
»Die Regel betrifft Rosie, nicht Bianca. Lass dir nie die Chance auf Sex mit einer Frau unter dreißig entgehen.«
»Das hat Gene gesagt?«, fragte Claudia.
Carl war hereingekommen, und ich bereitete mich innerlich auf sein Angriffsritual vor, doch er blieb stehen und starrte auf seinen Vater.
»Ich dachte, ich sollte dich um Rat fragen, weil du Psychologin bist, und Gene, weil er so umfangreiche praktische Erfahrung besitzt«, fügte ich hinzu.
Gene sah Claudia an, dann Carl.
»Das galt für meine vergeudeten Jahre als junger Erwachsener«, sagte er. »
Nicht
für meine Teenagerzeit.« Er drehte sich wieder zu mir. »Ich denke, das kann bis morgen Mittag warten.«
»Was ist mit Claudia?«, fragte ich nach.
Claudia stand auf. »Ich bin sicher, es gibt nichts, das Gene nicht weiß.«
Das klang ermutigend, vor allem, da es von seiner Ehefrau kam.
»Du hast
was
gesagt?«, fragte Gene nach. Wir aßen, wie verabredet, im Universitätsclub zu Mittag.
»Ich sagte, ich hätte ihr Äußeres nicht wahrgenommen. Sie sollte nicht denken, dass ich sie als Sexobjekt betrachte.«
»Du meine Güte«, erwiderte Gene. »Das eine Mal, wo du nachdenkst, bevor du sprichst, ist das Mal, wo du es nicht hättest tun sollen.«
»Ich hätte sagen sollen, sie sei hübsch?«, erwiderte ich ungläubig.
»Das hast du schnell erfasst«, entgegnete Gene, doch seine Aussage war inkorrekt, denn das Problem bestand ja genau darin, dass ich es nicht sofort erfasst hatte. »Das erklärt den Kuchen.«
Ich musste ihn verständnislos angesehen haben. Aus nachvollziehbaren Gründen.
»Sie hat Schokoladenkuchen gegessen. An ihrem Arbeitsplatz. Zum Frühstück.«
Das schien mir zwar eine ungesunde Wahl, ebenso wie das Rauchen, aber kein Hinweis auf Kummer. Gene versicherte aber, sie tue es, um sich besser zu fühlen.
Nachdem ich Gene mit den nötigen Hintergrundinformationen versorgt hatte, legte ich mein Problem dar.
»Du sagst also, sie ist nicht die Richtige«, meinte Gene. »Keine Partnerin fürs Leben.«
»Sie ist vollkommen ungeeignet. Aber extrem attraktiv. Wenn ich mit jemandem Sex
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