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Das Rosie-Projekt

Das Rosie-Projekt

Titel: Das Rosie-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graeme Simsion
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Empfangsdame im Stadtkrankenhaus, an dem er arbeitete, und hoffte, auf diese Weise ein persönliches Treffen und eventuelle Fragen zu umgehen. Meine Taktik brachte keinen Erfolg. Die Dame telefonierte, gab meinen Namen durch, und Professor Lefebvre kam zum Empfang. Er war schätzungsweise vierundfünfzig Jahre alt – in den letzten dreizehn Wochen hatte ich viele Vierundfünfzigjährige getroffen. Er trug einen großen Umschlag bei sich, der vermutlich den Fragebogen enthielt (und im Altpapierkorb landen würde) sowie seine DNA .
    Als er vor mir stand, wollte ich ihm den Umschlag abnehmen, doch er streckte seine andere Hand vor, um meine zu schütteln. Es lief ziemlich ungelenk ab, und am Ende gaben wir einander die Hand, und er behielt den Umschlag.
    »Simon Lefebvre«, sagte er. »Also, was wollen Sie wirklich?«
    Das kam völlig unerwartet. Warum sollte er meine Motive in Frage stellen?
    »Ihre DNA «, antwortete ich. »Und Ihren Fragebogen. Für eine größere Forschungsstudie. Eine sehr wichtige.« Ich war nervös, und meine Stimme spiegelte das zweifellos wider.
    »Da bin ich sicher.« Simon lachte. »Und dafür suchen Sie sich ganz zufällig den Leiter der medizinischen Forschungsabteilung als Forschungsobjekt aus?«
    »Wir suchen nach hochleistungsfähigen Persönlichkeiten.«
    »Was hat Charlie diesmal vor?«
    »Charlie?« Ich kannte niemanden mit Namen Charlie.
    »Also gut«, meinte er. »Dumme Frage. Also: Wie viel soll ich dafür lockermachen?«
    »Es muss nichts lockergemacht werden. Und ein Charlie ist nicht beteiligt. Ich brauche nur die DNA  … und den Fragebogen.«
    Simon lachte wieder. »Sie machen mich wirklich neugierig. Das können Sie Charlie sagen. Lassen Sie mir eine Projektbeschreibung zukommen. Und die Zustimmung der Ethikkommission. Den ganzen Kladderadatsch.«
    »Und dann bekomme ich meine Probe?«, fragte ich nach. »Eine hohe Rücklaufquote ist für die statistische Auswertung sehr wichtig.«
    »Schicken Sie mir einfach den Papierkram.«
    Simon Lefebvres Nachfrage war durchaus begründet, doch leider konnte ich nicht mit dem erforderlichen Papierkram aufwarten, da das Projekt rein fiktiv war. Einen plausiblen Antrag auf ein Forschungsprojekt zu stellen würde vermutlich Hunderte Stunden Arbeit bedeuten.
    Ich versuchte, die Wahrscheinlichkeit einzuschätzen, dass Simon Lefebvre Rosies Vater war. Es gab noch vier ungetestete Kandidaten: Lefebvre, Geoffrey Case (tot) und die beiden New Yorker Isaac Esler und Solomon Freyberg. Auf der Grundlage von Rosies Informationen bestand für jeden eine fünfundzwanzigprozentige Chance, ihr Vater zu sein. Da ich jedoch schon so weit gekommen war, ohne ein positives Ergebnis zu erhalten, musste ich auch andere Möglichkeiten in Erwägung ziehen. Zwei der Ergebnisse beruhten auf der DNA von Töchtern der verstorbenen Kandidaten. Es bestand die Möglichkeit, dass eine oder beide dieser Nachkommen ebenfalls das Ergebnis einer außerehelichen Beziehung waren, was, wie Gene gern betonte, viel häufiger vorkommt als allgemein angenommen. Und es war möglich, dass eine der Antworten auf meine fiktive Studie eine falsche DNA -Probe beinhaltete.
    Außerdem musste ich in Betracht ziehen, dass Rosies Mutter nicht die Wahrheit gesagt hatte. Es dauerte lange, bis ich auf diese Möglichkeit kam, denn meine Grundannahme ist die, dass Menschen ehrlich sind. Aber vielleicht hatte Rosies Mutter gewollt, dass Rosie dachte, ihr Vater sei ein Mediziner wie sie selbst anstelle einer weniger angesehenen Person. Alles in allem kalkulierte ich die Chance, dass Simon Lefebvre Rosies Vater war, auf sechzehn Prozent. Falls ich also eine umfassende Dokumentation für ein Asperger-Forschungsprojekt erstellen müsste, hätte ich eine riesige Menge Arbeit zu erledigen, auch wenn die Wahrscheinlichkeit gering wäre, ein positives Ergebnis zu erlangen.
    Ich machte mich an die Arbeit. Die Entscheidung war nicht unbedingt rational.
     
    Während ich mitten in der Arbeit steckte, rief mich ein Anwalt an mit der Nachricht, dass Daphne verstorben sei. Obwohl sie schon eine Weile tot war, verspürte ich ein unerwartetes Gefühl der Einsamkeit. Unsere Freundschaft war so einfach gewesen. Jetzt war alles so viel komplizierter.
    Der Grund für den Anruf war, dass Daphne mir in ihrem Testament eine, wie der Anwalt es nannte, »kleine Summe« hinterlassen hatte. Zehntausend Dollar. Dazu gab es einen Brief, den sie vor ihrem Umzug ins Pflegeheim geschrieben hatte, per Hand, auf gemustertem

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