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Das Rosie-Projekt

Das Rosie-Projekt

Titel: Das Rosie-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graeme Simsion
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extrem genossen hatte. Ich duschte, las meine E-Mails und machte Entspannungs- und Dehnübungen. Gene schickte ich eine Mail, mit Kopie an Claudia, und berichtete von unserem Tag.
    Zum Treffen um 19 : 00  Uhr in der Lobby kam Rosie drei Minuten zu spät. Ich wollte gerade in ihrem Zimmer anrufen, als sie in Sachen auftauchte, die sie tagsüber gekauft hatte – weiße Jeans und ein blaues, T-Shirt-ähnliches Oberteil –, dazu in der Jacke, die sie schon am Vorabend getragen hatte. Mir fiel ein Satz von Gene ein, den er einmal zu Claudia gesagt hatte. »Du siehst sehr elegant aus«, kommentierte ich. Es war eine gewagte Äußerung, doch Rosies Reaktion schien positiv. Und sie sah tatsächlich sehr elegant aus.
    Wir tranken Cocktails in einer Bar mit der umfangreichsten Cocktailkarte der Welt, von denen ich viele nicht kannte. Dann sahen wir
Spiderman
. Hinterher meinte Rosie, die Story sei ziemlich vorhersehbar gewesen, aber ich war einfach nur überwältigt, auf positive Weise. Ich war seit meiner Kindheit nicht mehr im Kino gewesen. Die Story war mir ziemlich egal, denn ich konzentrierte mich hauptsächlich auf die Tricks mit dem Fliegen. Es war phänomenal.
    Zurück zur Lower East Side nahmen wir eine U-Bahn. Ich hatte Hunger, aber ich wollte nicht die Regeln brechen, indem ich vorschlug, etwas essen zu gehen. Rosie hatte das ohnehin schon eingeplant und für 22 : 00  Uhr zwei Plätze ein einem Restaurant namens
Momofuku Ko
gebucht. Wir bewegten uns wieder in der »Rosie-Zeit«.
    »Das ist mein Geschenk an dich, weil du mich hierher mitgenommen hast«, sagte sie.
    Wir wurden an eine Theke für zwölf Personen gesetzt, an der wir die Köche bei der Arbeit beobachten konnten. Es gab wenige der nervigen Formalitäten, die Restaurants so stressig machen.
    »Haben Sie irgendwelche Vorlieben, Allergien, Abneigungen?«, fragte der Koch.
    »Ich bin Vegetarierin, esse aber nachhaltig produzierten Fisch und Meersfrüchte«, antwortete Rosie. »Und er isst alles – wirklich alles«, fügte sie hinzu.
    Irgendwann verlor ich den Überblick über die Anzahl der Gänge. Ich aß Kalbsbries und Gänseleberpastete (zum ersten Mal!) und Seeigelrogen. Wir tranken eine Flasche Rosé-Champagner. Ich sprach mit den Köchen, und sie erklärten mir genau, was sie taten. Es war das beste Essen, das ich je gegessen hatte. Und ich musste nicht einmal ein Jackett tragen! Tatsächlich trug der Mann neben mir ein Kostüm, das selbst im
Marquess of Queensbury
aufgefallen wäre, und mehrere Gesichtspiercings. Er bekam mit, dass ich mit dem Koch redete, und erkundigte sich, woher ich komme. Ich sagte es ihm.
    »Wie finden Sie New York?«
    Ich sagte, ich fände es äußerst interessant, und erzählte, wie wir den Tag verbracht hatten. Allerdings merkte ich, dass sich unter dem Stress, mit einem Fremden zu sprechen, mein Verhalten änderte – oder, um genauer zu sein, dass es in alte Muster zurückfiel. Tagsüber mit Rosie war ich entspannt gewesen und hatte anders gesprochen und mich verhalten, was ich im Gespräch mit dem Koch hatte fortsetzen können, weil es im Wesentlichen ein professioneller Austausch von Informationen gewesen war. Dagegen hatte die informelle gesellschaftliche Interaktion mit einer anderen Person wieder mein normales Verhalten ausgelöst. Und mein normales Verhalten und Reden wird von anderen als seltsam empfunden, was mir sehr wohl bewusst ist. Der Mann mit den Piercings schien es zu bemerken.
    »Wissen Sie, was mir an New York so gefällt?«, meinte er. »Es gibt hier so viele eigenartige Leute, dass sie niemandem besonders auffallen. Wir passen einfach alle hierher.«
    »Wie fandest du es?«, wollte Rosie wissen, als wir zum Hotel zurückkehrten.
    »Der schönste Tag meines Erwachsenenlebens«, sagte ich. Rosie schien so glücklich über meine Antwort, dass ich beschloss, den Satz nicht wie geplant zu beenden: »abgesehen vom Naturkundemuseum.«
    »Schlaf dich aus«, sagte sie. »Um 9 : 30  Uhr treffen wir uns und gehen wieder Brunchen, okay?«
    Es wäre unsinnig gewesen, zu widersprechen.

25
    »Habe ich etwas Peinliches veranstaltet?«
    Rosie hatte Angst gehabt, ich könnte während der Besichtigungstour von Ground Zero unangemessene Bemerkungen machen. Unser Führer, ein ehemaliger Feuerwehrmann namens Frank, der bei dem Angriff viele seiner Kollegen verloren hatte, war ein unglaublich interessanter Mensch, und ich stellte eine Reihe technischer Fragen, die er verständlich und, wie mir schien, sehr engagiert

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