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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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dieser Familie auf taube Ohren stieß.
    Dass ich so bald wieder von ihnen hören sollte, überraschte mich allerdings doch.
    ACHTUNDDREISSIG
    Abends klingelte es an der Haustür.
    Nachdem mein letzter Patient gegangen war, bereitete ich mich auf ein Dinner mit Ajita vor. Sie hatte vor einer Weile angerufen und gesagt, sie habe einen freien Abend. Ob ich mich mit ihr im Red Fort in der Dean Street treffen wolle? Doch als ich mein Handy einschaltete, stellte ich fest, dass sie mir gesimst hatte, sie sei müde und wolle zu Bett gehen. Ich war enttäuscht - hatte sie nicht jahrelang unablässig von mir geträumt und sich nach mir verzehrt, so wie umgekehrt auch ich? Nun schaffte sie es nicht einmal mehr für mich aus dem Bett, vermutlich als Reaktion auf meine Zögerlichkeit. Ich war rastlos und erregt und erwog daher einen Besuch bei der Göttin. Danach konnte ich mich vielleicht auf die Suche nach Henry und Bushy begeben. Ich wollte wenigstens wissen, ob Bushy auch ohne mich hatte auftreten können.
    Zuerst glaubte ich, Wolf würde vor der Tür stehen. Doch es war Lisa, die ihr Fahrrad hielt und - ungewöhnlich für sie - lächelte.
    »Fertig?«
    »Sind wir verabredet?«
    Sie zuckte mit den Schultern und lächelte weiter unter ihrer feuchten Wollmütze. Trotz des Regens würde ich vielleicht einen Spaziergang machen, mehr aber nicht. Ich bat sie nicht herein, weil sie sich sonst ohne jeden Zweifel eingenistet hätte. Ich schnappte mir meinen Mantel und ging nach draußen.
    »Du fährst«, sagte sie und schob mir das Fahrrad hin. »Wir machen eine kleine Reise.« Einen Teil der Strecke fuhr ich mit dem Rad, das groß und schwer war, vor allem, als sie auf dem Gepäckträger saß und wir als unansehnliche, aus zwei Körpern bestehende Last die Fulham Palace Road hinauf schnauften. Den restlichen Weg trottete sie hinter mir her.
    »Wohin geht es?«
    »An einen stillen Ort«, antwortete sie. »Wird dir gefallen.«
    Wir erreichten ein verschlossenes Tor neben dem Bishop's Park, und nachdem wir es geöffnet hatten, betraten wir etwas, das wie ein Feld aussah. In einigen Hütten brannte Licht, doch ansonsten war es so dunkel wie kaum irgendwo in London.
    »Los, komm«, sagte meine Reiseführerin.
    Was blieb mir anderes übrig, als ihr zu folgen und dabei zu versuchen, den Pfützen auszuweichen? Ein hoffungsloses Unterfangen, denn meine Füße versanken im Matsch, und meine geliebten grünen Slipper von Paul Smith, die ich bei einem Sommerschlussverkauf erstanden hatte, waren bald durchweicht. Ich grollte vor mich hin, aber welchen Sinn hätte es gehabt, jetzt stehen zu bleiben oder zu meckern?
    Am Ende des Schrebergartengeländes, dicht beim Fluss, kamen wir zu einem Schuppen, und Lisa führte mich mit einer Taschenlampe hinein. Sie entzündete Kerzen. Wir setzen uns auf Holzkisten, und sie drehte sich eine Zigarette. An einer Wand hing ein altes Bild ihres Vaters, das sie aus einer Zeitung gerissen hatte. Wasser tropfte uns auf den Kopf.
    »Ich sitze hier wahnsinnig gern«, sagte sie. »Hier ist es so meditativ. Aber es wird feucht.« Sie schwieg eine Weile. »Wie findest du es, dass ich den Ingres genommen habe?«
    »Er ist Teil deines Erbes. Da ist es wohl egal, ob du das Bild jetzt oder später an dich nimmst.« Ich ergriff eine Kerze und betrachtete die Regale. »Das hier finde ich interessanter. Was sind das für Sachen?«
    »Dinge, die ich im Flussschlamm gefunden und gesäubert habe.«
    Halbzerdrückte Coladosen, Besteckteile, rostige Schlüssel, Glas, eine Plastikflasche voller Matsch, ein Duschkopf, ein Stück Metallrohr. Manche Teile waren sauber, andere von einer Schicht grauen Schlamms bedeckt. Hier drinnen hatten diese kaputten Dinge ein unheimliches, faszinierendes Flair, das einen veranlasste, sie genauer zu betrachten und über ihre Herkunft nachzudenken. »Ich bin beeindruckt.«
    »Das kann jeder. Dazu braucht man nur einen Eimer und eine Zahnbürste. Oh, und einen Fluss.«
    Es gab auch einen Stapel Bücher: Plath, Sexton, Old, Puch. »Du hast gelesen.« Aus irgendeinem Grund musste ich an die Bibliothek denken, die mein Vater in Pakistan aufgebaut hatte, und fragte mich, ob sie noch irgendjemand benutzte.
    »Meine Eltern wissen nichts davon«, sagte sie. »Das würde sie nur aufregen.«
    »Und du schreibst auch.« Mein Blick fiel auf einen Block mit steiler Handschrift.
    »Erzähl ihnen ja nichts davon. Du kapierst, warum ich nicht will, dass sie etwas davon wissen, oder?«
    »Dein Geheimnis besteht darin,

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