Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)
Paßbildern zu vergleichen! Der Russe war es nicht. Jedenfalls nicht der, den wir suchen. Definitiv. … Du sollst den Brigadier anrufen, damit unsere Männer in Deutschland rechtzeitig mobilisiert werden ... bis nachher. Ende!“ Zufrieden grinsend klappt er das Handy zu und verstaute es in der Brusttasche. ‚Ihr kommt euch verdammt klug vor. Ihr werdet sehen, wer den längeren Atem hat. Diese Runde geht an uns!‘ Er startete den Wagen und verschwand nach einem kühnen Wendemanöver hinter dem Empfangsgebäude.
17. August, 13.55 Uhr Ortszeit; Nowokusnezk, Westsibirien, Rußland
Igor war aufgeregt wie nie in seinem Leben, als die Taxe in seine Straße einbog. Noch 200 Meter, dann würde rechter Hand der viergeschossige Wohnblock sichtbar, der sich Dank seines Sichtmauerwerks wohltuend von den grauen Waschbetonfassaden der umgebenden Plattenbauten abhob. Überall standen Pfützen auf der Straße, vereinigten sich neben den unbefestigten Randstreifen zu durchgehenden Kanälen, dann und wann unterbrochen von angeschwemmten Schlamminseln, garniert mit allerlei unschönen Produkten einer wenig umweltbewußten Anwohnerschaft. Es muß in der Frühe ein heftiges Gewitter gegeben haben. Noch immer lag bleischwer die Feuchtigkeit in der Luft, das diffus durchdringende Sonnenlicht zeichnete, einem Aquarell ähnlich, verwischte Schatten.
Er war müde und aufgewühlt zugleich. Als sie gestern kurz nach elf Uhr abends in Nowosibirsk gelandet waren, gab es keinen Anschlußflug mehr. Also entschloß er sich, die Nacht auf dem Flughafen zu verbringen. Er fürchtete die willkürlichen Polizeikontrollen, sollte er die annähernd 400 Kilometer zu Lande zurücklegen. Es war gut gemeint, ihm Dollar zu geben, Rubel wären in diesem Falle allerdings sinnvoller gewesen. Konnte jemand nur mit Dollar bezahlen, machte er sich verdächtig. Vor allem aber war er die Dollar früher oder später los. Er hatte versucht, vom Flughafen aus zu Hause anzurufen. Um ein Handy ausgeliehen zu bekommen, hatte er einen Fluggast zu ein paar Drinks eingeladen und diesem erzählt, Diebe hätten ihm in Karatschi die Jacke samt Portemonnaie und Handy gestohlen. Zu seiner großen Beunruhigung nahm zu Hause niemand den Hörer ab. Seither machte er sich Gedanken, was wohl der Grund sein mochte. Eine schlaflose Nacht war die Folge.
Der klapprige Lada aus Sowjetzeiten hielt mit mahlenden Bremsbelägen. „Da wären wir, Nummer 72!“ Der Fahrer strahlte, als Igor ihm kommentarlos einen 20 Dollar-Schein in die Hand drückte. „Stimmt so.“ Routiniert prüfte der Fahrer die Echtheit. Bevor er einen Kommentar abgeben konnte, hatte sein Fahrgast bereits den Wagen verlassen. Der Fahrer beobachtete ihn noch einen Augenblick, wie er versuchte, halbwegs trockenen Fußes den Hauseingang zu erreichen. Dann fuhr er los. Zwanzig Dollar! Was wohl Lena dazu sagen würde? Er beschloß, den Dienst zu beenden und gleich zu Lena zu fahren.
Igor spürte den vor Aufgeregtheit pochenden Herzschlag, als er die Wohnungstür in der dritten Etage erreichte. Waren Natascha und die Kinder inzwischen aus Riga zurückgekehrt? Sicherlich waren sie das! Wie würden sie reagieren, wenn er plötzlich vor ihnen stand? Oder hatte man sie inzwischen aus der Wohnung gewiesen? Wo sollte er sie in diesem Falle suchen? Würde er sie jemals finden? Er zögerte einen Moment und lauschte, ob Geräusche durch die Wohnungstür drangen. Da war nichts, außer dem plärrenden Radio des Nachbarn zur Rechten. Wahrscheinlich lag der Bursche von der Orgie des Vorabends noch im Koma. Ein schrecklicher Kerl, soff rund um die Uhr, seitdem er seinen Funktionärsposten kurz nach dem Zusammenbruch der UdSSR eingebüßt hatte. Wo der nur das Geld her hatte? Gemunkelt wurde viel darüber, aber Genaues wußte man nicht. Lieber mied man den Burschen.
Igor klingelte. Es dauerte einen Moment, dann hörte er, wie sich rasche Schritte der Tür näherten. Sie wohnten noch hier! Er hörte das heftig pulsierende Geräusch des Blutes, das sein nun aufgeregt im Höchstleistungsmodus hämmerndes Herz durch die Gehörgänge trieb. Er bemerkte das Zittern seiner Knie, es war ihm einerlei. Gebannt starrte er auf die Tür. Mist! Ihm wurde bewußt, daß er die sorgsam gewählten Worte, mit denen er das Wiedersehen eröffnen wollte, vor Aufregung vergessen hatte. In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen.
Das Letzte, was er sah, war die grinsende Visage des Fremden, bevor der brutale Schlag ihn am Kehlkopf traf. Er spürte
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