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Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Titel: Das Schatzbuch der Köchin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martine Bailey
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Gesichtern der anderen kaum entkommen. Zwei lange Tage warteten wir, bis der Sturm vorbei war und wir weiterreisen konnten. Das war eine merkwürdige Zeit, in der ich mich so weit weg von England fühlte wie noch nie zuvor. Die Stille war so unheimlich, dass man gehört hätte, wie ein Vogel einen Zweig fallen lässt. Die Berggipfel krönten den Himmel wie gezackte Eiszapfen, und in der Nacht glitzerten die Sterne so kalt wie Diamanten. Ich hätte liebend gern ein Bild davon nach Hause geschickt, aber ich glaube, kein Maler hat sich je hierher gewagt. Nie im Leben werde ich diesen merkwürdigen Ort vergessen.
    Vielleicht verweilten wir auch deshalb, weil der Kutscher wusste, dass Cécile, die Tochter der Wirtin, an diesem Sonntag heiraten würde. Ihr Verlobter war Soldat und hätte schon viel früher zur Hochzeit heimkommen sollen. Ich sah zu, wie Cécile am Morgen ihrer Hochzeit angekleidet wurde. Wie bei jeder alten Jungfer schimmerten auch meine Augen feucht, als ich sah, wie ihr gewöhnliches Gesicht aufs herrlichste verschönt wurde. Verdammt sei Jem Burdett, dachte ich. Meine Stimmung drohte umzuschlagen, weil ich an meinen eigenen Hochzeitskuchen dachte, dessen Zutaten in der Speisekammer von Mawton vor sich hin faulten und mir damit vermutlich noch mehr Unglück einbrachten. Es tat mir in der Seele weh, wie Cécile ihren hübschen Soldaten anstrahlte, als er endlich kam. Der Gedanke, dass mein Bett für immer kalt bleiben würde, quälte mich.
    Céciles Brautkleid war in jahrelanger Arbeit entstanden. Das Mieder war mit Tausenden behutsamen Stichen bestickt worden und zeigte nun die schönsten Wiesenblumen. Ihre Haube und die Schürze waren aus feinster weißer Spitze, die sie eigenhändig geklöppelt hatte. Ich lieh Cécile den großen Silberspiegel meiner Herrin, damit sie sich in all ihrer Schönheit bewundern konnte. Sie kicherte hinter vorgehaltenen Händen und wandte sich verlegen ab. Ein schlichtes Gemüt.
    Es war ein Segen, dass der Schneefall für den feierlichen Brautzug aufhörte, und die Sonne schien blass vom Himmel, als wir hinter einer Gruppe Dorfbewohner herstapften. Alle hatten ihre Festtagskleidung hervorgeholt, die Frauen trugen ähnlich verzierte Kleider und Spitzenhauben. Ich machte mir eigentlich nichts aus der Hochzeitsmesse, denn die Kirche war ein scheußlicher Ort. Grinsende Schädel und Knochen hingen an den Wänden. Mr. Pars beklagte sich lautstark über den Aberglauben der Katholiken, und als ich diese entsetzlichen Dinge sah, schlug ich mich auf seine Seite. Nur Mr. Loveday fühlte sich merkwürdigerweise zu diesen Reliquien hingezogen und weckte damit in mir die Angst, die Geschichten über die schwarzen Männer, die ihren Opfern den Kopf abschlugen und die Schädel sammelten, könnten vielleicht wahr sein.
    Als wir wieder in der Wärme des Gasthauses waren, wurden Mr. Loveday und ich angewiesen, beim Auftragen der Speisen zu helfen. Der gefüllte Flammkuchen war das Gericht, über das die Frauen am meisten lamentierten. Es gab kein richtiges Rezept, denn es wurde so zubereitet, wie sich die älteren Frauen daran erinnerten, wobei eine Füllung in Speckstreifen gewickelt mehrere Stunden im Wasserbad gegart wurde.
    Nach dem Festessen begann der Tanz, und es machte Spaß, den jungen Leuten dabei zuzusehen. Die Männer hatten weiße Strümpfe an, und die Mädchen trugen ihre besten Spitzenkappen.
    «Du hörst das?», fragte Mr. Loveday und gesellte sich zu mir. Er zeigte zur Decke. Das Gebell war bei dem Kratzen der Fideln kaum zu hören.
    «Bengo?»
    «Du willst, ich gehe, Miss Biddy? Muss ich noch Becher waschen.»
    Ich schaute mich im Raum um. Mr. Pars war ganz berauscht und beugte den Kopf über seinen Krug. Bei Jesmire war es dasselbe, sie saß mit halboffenem Mund und geschlossenen Augen in der Ecke. Von meiner Herrin keine Spur. Es war wirklich eine Schande, aus der warmen Stube zu müssen, aber wenn dieses jämmerliche Tier nach draußen wollte, musste sich wohl jemand darum kümmern.
    Ich kletterte die steile Treppe zum Dachboden hoch und fand Bengo, der an der Tür kratzte. Von meiner Herrin war immer noch nichts zu sehen. Ich trug ihn nach draußen und ließ ihn dort schnüffeln und pinkeln, während ich die zarten Spuren der Vögel betrachtete, die wie Gabelabdrücke im Schnee aussahen. Dann bemerkte ich die anderen Spuren. Die Stiefelabsätze einer Frau, die sich tiefer in den Schnee gruben als die Schuhspitze. Die Frauen hier in den Bergen trugen nur flache

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