Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Titel: Das Schatzbuch der Köchin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martine Bailey
Vom Netzwerk:
wieso habt Ihr ihn dann so schnell im Stich gelassen? Hat Euch der erste Bissen von seinem Fleisch nicht gemundet? Stellte er Euch nicht zufrieden?» Seine klaren Augen richteten sich auf mich, und das machte mich jetzt doch mächtig nervös.
    «Ich bin sicher, das ist irgendein Geflügel», erklärte ich in der Hoffnung, ihn abzulenken. Er spießte ein Stück auf, steckte es in den Mund und kaute langsam.
    «Verflucht noch mal, aber ich glaube, Ihr könntet recht haben. Das kommt davon, wenn man unbedingt einen Koch haben will, der von seinen Fähigkeiten überzeugt ist.» Er stand auf und brüllte «Renzo!» durch den Schacht nach unten.
    «Wo sind meine Nattern?», wollte der Conte wenige Minuten später vom Koch wissen, der sich vor ihm verbeugte. «Ich kann diesen weibischen Dreck nicht essen.» Gereizt schob er den Teller beiseite.
    Der Koch versteifte sich und reckte trotzig das kantige Kinn. Ich kannte diesen Blick, denn den setzte ich auch immer auf, wenn Lady Carinna oder Mr. Pars mich schimpften. Aber der Koch hatte wenigstens den Mut, sich zu wehren. «Eure Exzellenz, ich bemühe mich stets, Neues zu ersinnen und Eure Speisen zu verbessern. Mit diesem Gericht habe ich versucht …»
    «Hast du was versucht? Ungehorsam zu sein? Verdammt sollst du mit deinen Experimenten sein. Ich zahle ein fürstliches Lösegeld, damit du Speisen zubereitest, die meine Manneskraft stärken. Was kümmert mich da der Geschmack?»
    Signor Renzos Gesichtsausdruck veränderte sich. Statt überrascht und gekränkt erschien er jetzt ganz ausdruckslos. «Das sind die Nattern», erklärte er eisig und zeigte auf die Scheiben rosiges Fleisch.
    Ich starrte ihn mit offenem Mund an, denn das Fleisch schmeckte gar nicht danach. Im
Schatzbuch der Köchin
hatte ich gelesen, dass Schlangen wie Frösche schmecken, und an den Geschmack erinnerte ich mich sehr gut aus Frankreich.
    «Seid Ihr sicher?», fragte ich. «Das sind doch eher Taubenbrüstchen, will ich meinen. Und das Aroma in der Soße ist noch etwas ganz anderes. Es liegt mir quasi auf der Zunge. Was ist das?»
    Signor Renzo blinzelte, doch ansonsten blieb seine Miene unverändert. «Mylady, der größte Schatz eines Kochs sind seine Geheimnisse.»
    Ich konnte das einfach nicht glauben! Dieser durchtriebene Kerl weigerte sich, mir sein Rezept zu verraten.
    «Du vergisst, Renzo, dass die Geheimnisse eines Kochs seinem Dienstherrn gehören», bellte der Conte.
    Während die beiden miteinander stritten, spießte ich noch einen Happen vom Teller des Conte auf und ließ ihn mir auf der Zunge zergehen. In der Soße war ein würziges Aroma, das wie das Meer auf und ab ging. Dann erinnerte ich mich wieder an meinen Besuch beim Zuckerbäcker in London mit Mr. Loveday. Was hatte er gesagt? «Das ist der Grund, warum mein Dorf zerstört.» Wie hatte ich das vergessen können?
    «Sir, ich glaube, ich weiß es.»
    Der Koch blickte mich beleidigt, fast mit Verachtung an.
    Der Conte war auch nicht gerade begeistert. «Mein liebes Mädchen, Ihr Engländer habt ja viele Tugenden, aber ich fürchte, auf dem gastronomischen Feld seid Ihr nicht besonders gut.»
    Dieser merkwürdige Geschmack blieb die ganze Zeit an meiner Zunge kleben und war so üppig und fremdartig wie eine Blume tief aus dem Meer. In der
farmacia
in Turin hatte ich ein zweites Mal daran riechen dürfen. «Ist Eure geheime Zutat Ambra?», fragte ich und lächelte ihn lieb an. Es war ein Vergnügen zu sehen, wie dieser Laffe geknickt den Kopf neigte.
    «Eure Ladyschaft, ich verneige mich vor Eurem feinen Gaumen.»
    «Ha! Jetzt sieh nicht so sauer aus, Renzo», freute sich der Conte. «Lady Carinna ist zu gut erzogen, um dich zu necken. Aber sie hat dich erwischt! Das wirst du dein Leben lang bereuen.»
    Erst da wurde mir bewusst, welche Konsequenz mein Handeln hatte. Auch wenn er hochnäsig war, blieb er ein Diener wie ich, und jetzt hatte ich ihn in Schwierigkeiten gebracht.
    «So starke Ambra», fügte ich deshalb hinzu, «dass sie den Geschmack von dem überdeckt, was ich jetzt als Nattern identifizieren würde.»
    Der Koch verneigte sich erneut, diesmal funkelte etwas Verschwörerisches in seinem Blick.
    «Hmpf», machte der Conte. «Das erstaunt mich. Meine liebe Carinna hat einfach ein viel zu gutes Herz für die Dienstboten.»
    Der Koch verließ das Gemach, aber nachdem er erregt einen Lakai an der Tür befragt hatte, schaute er verwirrt zu mir zurück.
    «Signor Renzo», rief ich, und er zuckte zusammen. «Ist der Wein mit

Weitere Kostenlose Bücher