Das Schwert des Normannen: Roman (Knaur TB) (German Edition)
über den Horror in der Kirche, über ihre Ängste und Verdächtigungen. Sie redete endlos und ausschweifend, aber Onfroi hörte geduldig und aufmerksam zu. Von Zeit zu Zeit ermutigte er sie mit einem kleinen Lächeln oder strich ihr über die Hand wie einem Kind. Er schien eine wunderbar beruhigende Wirkung auf sie zu haben. Und ich muss zugeben, auch auf mich. Durch seine Gegenwart schien die Welt wieder ein wenig geradegerückt zu sein.
Nachdem er den Hergang auch aus meiner Sicht vernommen hatte, kratzte er sich nachdenklich den Bart. »Es war eine geplante Tat, so viel ist klar. Jemand wollte meinen Bruder beseitigen. Asclettin können wir ausschließen. Der würde nicht das Leben seines Sohnes aufs Spiel setzen. Und Pierron ist ein Hitzkopf, aber er ist nicht hinterhältig. Schade, dass ihr die Kerle getötet habt, Gilbert. Sonst hätten wir mehr erfahren können.«
»Ich weiß, wer dahintersteckt.«
Beide sahen mich überrascht an. Ich holte tief Luft. Und dann erzählte ich ihnen alles über Arichis und wer sein Meister war. Dass er über Drogos morgendliche Kirchgänge Bescheid gewusst haben musste, dass er sich mit den Mördern getroffen und ihnen vermutlich eine Anzahlung für ihre Bluttat übergeben hatte.
»Pandulf also«, murmelte Onfroi rot vor Zorn.
Gaitelgrima hatte mir mit Erstaunen zugehört. »Dieser Elende ist seit Jahren der Fluch meiner Familie«, sagte sie erbittert. »Aber warum hast du mir nicht früher davon erzählt?« Sie schien darüber verstimmt zu sein.
Ich wand mich ein wenig. »Ich dachte, es wäre besser, wenn Onfroi es als Erster erfährt.«
»Ist schon gut, Junge«, sagte er. »Und was dieses Schwein Pandulf angeht, wir werden Rache nehmen, so wahr ich hier sitze. Er wird das Jahr nicht überleben, das schwöre ich.«
»Da ist noch etwas.« Ich erzählte ihnen, was Arichis über ein Bündnis zwischen Rom und Byzanz gesagt hatte. Gaitelgrima wollte davon nichts wissen. Seit zweihundert Jahren habe es keine Annäherung gegeben. Aber Onfroi machte ein sorgenvolles Gesicht.
»Wenn das stimmt, dann wird es ernst für uns. Das ist, was Drogo schon seit einer Weile befürchtet hatte. Deshalb sein Reden gegen das unkontrollierte Brandschatzen und Plündern unter den Latinern. Wenn sie uns von zwei Seiten in die Zange nehmen, ist es aus mit uns.«
»Wir müssen alle Krieger zusammenrufen«, sagte ich.
»Erst soll ein neuer Graf gewählt werden. Wir brauchen einen Anführer in diesen schweren Zeiten.«
»Aber das musst du sein«, rief Gaitelgrima. »Wer sonst?«
Onfroi hob die Brauen. »Ich weiß nicht. Ein Reiterheer kann ich führen, aber als Graf sollten sie einen anderen wählen. Pierron zum Beispiel. Der hat doch schon lange diesen Ehrgeiz.«
Sie starrte ihn entgeistert an. Und auch ich schüttelte energisch den Kopf. »Du kannst dich nicht drücken, Onfroi. Und von Pierron halte ich nichts.«
»Wir werden sehen. Zuerst müssen wir Drogo beisetzen.« Er erhob sich langsam. Man sah ihm die schwere Bürde an, die ihm der Tod seines Bruders auferlegt hatte. »Und Robert benachrichtigen.«
»Boten nach Scribla sind schon unterwegs. Aber er wird kaum rechtzeitig hier sein.«
»Wir können nicht länger warten. Spätestens in zwei Tagen sollten wir Drogo zu Grabe tragen.«
Endlich wagte ich die Frage zu stellen, die mir die ganze Zeit auf der Seele gebrannt hatte. »Was ist mit Girard? Er ist spurlos verschwunden. Weißt du etwas?«
Onfroi warf einen schnellen Blick zu Gaitelgrima hinüber und räusperte sich dann. »Er ist bei Robert«, sagte er leise. Es hörte sich an wie ein Geständnis. Mir fiel die Kinnlade herunter, und der Fürstin ging es nicht anders.
»Er ist nach Scribla geritten?«
»Wir haben es geheim gehalten, denn Drogo sollte nichts davon wissen. Aber Girard meinte, es sei an der Zeit, Robert zu unterstützen. Er hat die meisten seiner Männer mitgenommen. Zweihundert Reiter.«
»Aber dann hätten wir uns doch begegnen müssen.«
»Seid ihr an der Küste entlanggeritten?«
»Nein, durch die Berge.«
»Die Küstenstraße ist länger, aber weniger beschwerlich. Die wird er genommen haben. Schon allein wegen Alberada.«
Gaitelgrima hatte bei dem Namen schmale Augen bekommen. »Er hat sie mitgenommen?«, fragte sie tonlos.
»So ist es. Ich vermute, die beiden werden jetzt längst verheiratet sein. So jedenfalls war der Plan.« Er schwieg verlegen.
Auch Gaitelgrima sagte nichts, aber ihr Gesicht sprach mehr als Worte. Mit hängenden Schultern saß sie
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