Das Schwert des Normannen: Roman (Knaur TB) (German Edition)
Grafen von Apulien aus dem Geschlecht der Hautevilles.
Onfrois Kundschafter
F ast drei Wochen nach Drogos Beerdigung, Guaimar war längst nach Salerno zurückgekehrt, da rief Onfroi mich zu sich. Seine neue Würde schien ihn nicht verändert zu haben, außer dass er jetzt ernster wirkte und etwas von seiner früheren Unbekümmertheit verloren zu haben schien.
»Der Bote, den ihr nach Scribla geschickt hattet, ist endlich zurück«, ließ er mich wissen. »Der muss unterwegs jede Dorfhure genagelt haben, so lange hat er gebraucht.«
»Und?«, rief ich aufgeregt. »Was sagt er?«
»Robert könne nicht kommen. Sie seien mit der Belagerung von diesem Kaff beschäftigt.«
»San Marco Argentano.«
»Ja, so nannte er es. Girards Truppen kämen ihm gut zupass, aber die Sache sei doch nicht so einfach. Er würde aber nicht nachlassen, bis er die verdammte Festung geknackt habe.«
»Das hört sich nach Robert an«, sagte ich nicht ohne Stolz.
»Außerdem soll Alberada schwanger sein.« Nun grinste Onfroi breit. »Sieht aus, als ob Mutter einen Enkelsohn bekäme.«
Das waren doch endlich mal gute Nachrichten.
»Ich schätze, du wirst demnächst auch Nachwuchs haben. Wann soll die Hochzeit noch mal sein?«
»Im Frühjahr.«
Er machte ein zufriedenes Gesicht, schien sich richtig darauf zu freuen. Ich erinnerte mich, wie sanft und behutsam er mit Gaitelgrima umgegangen war. Sollte es etwa eine Liebesheirat werden?
»Aber du weißt doch, was sie für Robert empfindet«, konnte ich mir nicht verkneifen. »Macht dir das nichts aus?«
Eigentlich hatte ich eine ärgerliche Erwiderung erwartet, aber er zuckte gleichmütig mit den Schultern. »Ach, weißt du, Frauen träumen gerne von Liebesdingen. Ich denke, das wird sich schon geben. Ich jedenfalls will versuchen, ihr ein schönes Leben zu bereiten. Darauf kommt es doch an.«
»Du hattest schon immer etwas für sie übrig, oder?«
»Für die magere Ziege?« Er lachte gutgelaunt. »Aber das weißt du doch. Hab sie immer gemocht. Drogo war nicht der richtige Kerl für sie.«
Seine Zuversicht in Ehren, aber ich musste an Gaitelgrimas Worte denken, wie sehr sie es hasste, an ungehobelte Normannenanführer verkuppelt zu werden, die ihr Land ausplünderten. Seine gute Laune bewog mich jedenfalls, mein eigenes Anliegen vorzutragen.
»Ich will so schnell wie möglich nach Scribla«, sagte ich. »Robert braucht jetzt jeden Mann.«
Da wurde er ernst. »Ich weiß, du sehnst dich nach deinem Mädel. Aber das geht nicht.«
»Warum nicht?«
»Ist schon ärgerlich genug, dass Robert seine Zeit damit verschwendet, unwichtige Dörfer zu erobern. Ich brauche ihn jetzt hier und dich auch.«
»Argentano ist eine Festungsstadt, kein Dorf. Von dort lässt sich das größte und wichtigste Tal in Kalabrien beherrschen.«
Er sah mich scharf an. »Ich sage, du bleibst hier, Gilbert. Das ist ein Befehl. Hast du mich verstanden?«
Plötzlich war es vorbei mit Onfrois Gemütlichkeit. Zum ersten Mal klang so etwas wie kalter Stahl in seiner Stimme. Der neue Graf von Apulien hatte gesprochen. Ich senkte ergeben den Blick. Als er jedoch sah, wie niedergeschmettert ich war, milderte er seinen Tonfall.
»Gaitelgrima verlangt, dass du weiterhin ihre Leibwache befehligst. Sie traut keinem anderen.«
»Und deshalb darf ich nicht nach Scribla?«
»Seit Drogos Ermordung fürchtet sie sich vor jedem Schatten. Wer kann es ihr verdenken nach dem, was sie mit ansehen musste? Tu mir also den Gefallen, bis ich ihr Vertrauen gewonnen habe. Ich werde Robert und Girard ohnehin beordern, die Belagerung aufzugeben und schleunigst nach Melfi zurückzukehren. Du wirst also bald deine Gerlaine in die Arme schließen können.«
Nun, das versöhnte mich ein wenig, und ich versah meinen Dienst wie zuvor. Auch meine Freunde waren nicht glücklich darüber, Amme zu spielen, wie sie es nannten. Aber was half’s? Zumindest teilte Onfroi uns noch zwei seiner Männer zu, damit wir uns besser abwechseln konnten.
Fulkos Wunde heilte, und er erholte sich zusehends. Gaitelgrima war freundlich, redete aber nur noch das Nötigste mit mir. Vermutlich bereute sie die Vertraulichkeiten, die sie mit mir geteilt hatte. Die meisten Tage verbrachte sie zurückgezogen in ihren Gemächern, schien sich jedoch ebenfalls in das Unvermeidliche ergeben zu haben.
Seit Drogos Tod kam es mir vor, als ob alle Welt in unruhiger Erwartung den Atem anhielt. Das Volk hatte wie immer um diese Jahreszeit den Winter satt und sehnte sich nach den
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